Berichte von Till Friedrich mit etwas Rücksicht auf nicht mit der Sportschifffahrt Vertraute. Kenntnisreichere Leser mögen über einige Erläuterungen auf Klippschul-Niveau für Nicht-Schiffer hinwegsehen.

Mittwoch, 30. September 2015

Frankreich 2016 - Teil 3: Zürück über den Canal de deux mers – Garonne Kanal, wieder in den Canal du Midi

Montag, 02.05. Buzet – Agent
Heute wollen wir uns das Auto–nachholen einfacher machen, ich fahre mit dem Boot, Elke fährt mit dem Auto, kommt aber jeweils zur Doppelschleuse gleich nach Buzet und dann zur Vierer-Treppe hinauf zur Kanalbrücke über die Garonne bei Agen und hilft beim Schleusen. Denn nun geht es wieder aufwärts, das heißt, man fährt in die Schleuse ein, macht fest und braucht dann jemand, der zumindest oben auf den besagten grünen Knopf drückt, um der Schleusenautomatik mitzuteilen, dass es nun losgehen kann mit der Schleuserei. Dieser Jemand ist im Normalfall vor der Schleuse an Land abgesetzt worden, oder klettert in der Schleuse die meist schlammig-feuchte Leiter hoch.
Die Auto-Assistentin kommt da gerade recht, weil sie schon an der Schleuse wartet (wenn sie denn die Zuwegung gefunden hat, was wirklich nicht einfach ist), die Seile entgegen nehmen kann und – wie gesagt – auf den Knopf zum Schleusen drücken kann. 
So erreichen wir bei schönem Wetter wieder Agent.


Dienstag, 03.05. Liegetag in Agen
Die Nacht von Montag auf Dienstag hat „Montezumas Rache“ auch Elke erwischt, die halbe Nacht statt im Bett in den Räumlichkeiten, die der Franzose euphemistisch „salle de bain“ nennt, die auf unserem Schiff aber weniger als 1 qm groß sind. Der nächste Tag sieht sie hauptsächlich schlafend, nachdem ich in der Apotheke einige Mittelchen besorgt habe und dazu im Carrefour City Salzstangen, Cola und Zwieback. Mir tun der Ruhetag und die Mittel gegen Brechen und Durchfall auch ganz gut, denn so ganz gut isset mir auch noch nich. Das Wetter ist nach anfänglicher Gräue ab Mittag sonnig und warm.

Mittwoch, 04.05. Agen -Moissac
Bestes Mützenwetter, wie meine Mutter zu sagen pflegte, den ganzen Tag Sonne, dazu eine leichte kühlende Brise begleiten einen – für unsere Verhältnisse - langen Tag. Von 10:25 bis 17:15 haben wir 8 Schleusen und 42 KM bewältigt. 
Hafen Moissac
In Moissac gibt es einen fest in englischer Hand befindlichen Hafen und eine Doppelschleuse hinunter zum Tarn, der hier auf ungefähr 12 KM schiffbar ist bis zum Stausee vor der Ableitung des Kühlwasserkanals für das Atomkraftwerk bei Golftech, 
Atomkraftwerk bei Golftech
das wir auf unserer Fahrt rechts haben liegen lassen. Moissac selbst ist ein Städtchen mit allen möglichen Geschäften, einem großen Platz mit Markthalle aus dem 19. Jahrhundert, aber vor allem einer beeindruckenden Kirche St.Pierre mit einem der bedeutendsten romanischen Portale 
romanisches Portal St.Pierre in Moissac
und ebensolchem Kreuzgang des früheren Klosters. Auch dies eine Station auf einem der Pilgerwege nach Santiago die Compostella mit entsprechenden Herbergen und einigem Touristenauflauf, besonders am folgenden Himmelfahrtstag.

Donnerstag, 05.05. (Vatertag) Moissac – St.Porquier
Wunderbarer blauer Himmel, leichte Brise, was will der Schiffer mehr. Erst geht’s zur Tankstelle im Hafen mit den bisher fairsten Preisen zwischen Agde und Bordeaux. Wir tanken 107 Liter à 1,25 €, seit Toulouse haben wir 210 KM und 34 Stunden hinter uns gebracht und bestimmt 50 Stunden Diesel-Heizung mit unserer Eberspächer. Wir finden, das das ein relativ niedriger Verbrauch ist.
Gleich nach Moissac führen drei Schleusen hinauf zur Kanalbrücke über den Tarn und dann noch einmal drei Schleusen bis Castelsarrasin, vor der letzten löst sich allerdings vor uns ein größerer Kahn (Schiff würde ich dieses ursprünglich für die Vermietung gedachte Konstrukt aus viel Eisen nicht nennen) vom Ufer und wir müssen gemeinsam in die Schleuse. An sich nicht schlimm, aber dann tuckern diese liebenswerten Menschen sehr gemütlich vor uns an Castelsarrasin vorbei und legen nicht wie erhofft an. Hinter denen her? Nein, da bleiben wir lieber anders als geplant im an sich schönen Hafen und Ort Castelsarrasin. Mais, hélàs, aber, leider...haben französische Kommunalverwaltungen-in der wärmerem Jahreszeit besonders, und am Wochende im Anschluss an Himmelfahrt (heute) schon gar- einen an sich lobenswerten Hang zur Kultur. Hatten wir vor 14 Tagen an diesem Platz den Genuss, eine Kirmes nicht nur optisch, sondern vor allem auch akkustisch erleben zu dürfen, war diesmal am Ufer gegenüber dem Hafen ein Zirkuszelt aufgebaut, aus dem alsbald mörderisch verstärkte Bässe erklangen, die Vorboten eines Konzertes am Abend im Rahmen einiger „Tage des Chansons in Castelnaudary“. Wie sagt schon Busch? „Musik wird störend oft empfunden, dieweil sie mit Geräusch verbunden“. Dies, in Verbindung mit einem System des Strom- und Wasseranschlusses, das nur durch die Capitainerie (fermée en jours de fête) in Gang gesetzt werden kann, bewog uns nach einer einstündigen Pause weiterzufahren. Just als wir die Seile loswerfen, fährt eine Hotelpéniche in unsere Richtung. Also wieder „Leinen fest“ und eine halbe Stunde warten, denn die Schleusen können wir nicht gemeinsam mit einem Schiff dieser Größe machen. Dann fahren wir aber endlich weiter, um nach zwei weiteren Schleusen und 7 KM am kleinen Anlegeplatz bei St. Porquier festzumachen. Kein Strom, kein Wasser, brauchen wir aber nicht. Dafür ruhig und nicht allzu weit zum Örtchen, wo es einem kenntnisreichen anderen Anleger zufolge (übrigens mit dem Kahn, weswegen wir erst in Castelsarrasin bleiben wollten) auch einen kleinen Lebensmittelladen mit einem Dépot de Pain (also frischem Brot, das der Bäcker dorthin liefert) gibt. - Schöner warmer Abend mit Abendbrot an Deck.

Freitag, 06.05., St.Porquier – Dieupentale
Morgens blauer Himmel mit einigen Streifenwolken. Rabelais kurz von Bord gehievt und in den Ort, frisches Baguette zum Frühstück und die obligatorischen Croissants gekauft, die wir immer nach dem Anlegen am Nachmittag verzehren. Leinen los um 10:15, unserer üblichen Startzeit, und nach zwei „normalen“ Schleusen erreichen wir die Schleusenkette mit fünf Schleusen, die hoch zum Ort Montech bringen, von dem ein Stichkanal nach Montauban führt. (sh. Eintragungen zum 22. und 23.04.) Das haben wir um 11:45 geschafft und fahren noch ein Stück mit einer weiteren Schleuse bis zum kleinen Örtchen Dieupental. Inzwischen hat es sich zugezogen und nach ein paar Regentropfen hellt es sich zwar wieder auf, der Sonnenschein wird aber mit immer kräftigerem Wind aus Ost bezahlt. Hier in Dieupentale nun ist die definitiv niedrigste Brücke über den Kanal, schräg abfallend mit seitlich versetztem Bogen. 
Brücke in Dieupentale

Kein Problem, denkt der Skipper, peilt über den Mast, ein Zentimeter Luft ist ja noch, aber durch die äußerst langsame Fahrt versetzt der Wind das Schiff, das Verdeck kommt in Kontakt mit dem Brückenbogen auf der einen Seite, die Antenne am Mast mit dem Bogen auf der anderen Seite, rückwärts kann die Situation zwar gerettet werden, aber um den Preis einer gebrochenen Kunststoffummantelung der Wifi-Antenne. Rückwärts zum vor der Brücke gelegenen Anleger, wo wir um 13:30 für heute festmachen. Das Verdeck können wir ja auch noch morgen abbauen. Die Antenne läßt sich wieder kleben, et hätt mal widder joot jejange…

Samstag, 07.05., Dieupentale – Toulouse
Eine lange Fahrt mit einigen Schleusen wartet auf uns, daher haben wir beschlossen, gegen unsere Gewohnheit etwas früher aufzustehen (07:00) und ungefrühstückt loszufahren. Ich hole schnell mit dem Fahrrad vom Bäcker ein Baguette und (richtig) zwei Croissants, dann das Verdeck abgebaut, bzw. umgeklappt, während Elke schon mal den Kaffee und die Frühstückseier kocht, dann los um 08:15 bei blauem Himmel mit einigen Streifenwolken und Blick bis auf die schneebedeckten Pyrenäen für eine Strecke von 8 KM bis zur nächsten Schleuse, nach deren Bewältigung wir oberhalb am Wartesteiger anlegen und frühstücken. Dabei brist es immer mehr auf und das Frühstück endet geradezu sturmumtost. Acht weitere Schleusen auf dem Garonne-Kanal bis Toulouse, dann biegen wir wieder in den Canal du Midi ein, meistern drei weitere zum Teil recht hohe Schleusen und kommen nach 6:45 Stunden Fahrtzeit gegen 15:30 am Hafen St.Saveur an, wo uns der heilige Saveur (wofür der sonst immer zuständig sein mag) beim Anlegen im Sturm zwar vor dem Schlimmsten vor allem dank der wirklich kompetenten Hafenmeisterin bewahrt, aber wir haben ein Problem, etwas sitzt in bzw. vor der Schraube und bewirkt, dass das Rückwärtslaufen der Schraube wirkungslos ist … und der Rückwärtsgang ist die einzige Bremse eines Schiffes ausser dem Anker.
Wie auch immer, wir haben den Steg fast nicht gerammt, mit Hilfe von Bootsnachbarn alle verfügbaren Leinen ausgebracht, um das Boot einigermaßem festzumachen. Der Abend und die Nacht sieht uns in schaukelndem, hin- und her tänzelnden Boot kurz vor der Seekrankheit. Denn der Sturm läßt einfach nicht nach.

Sonntag, 08.05. Liegetag in Toulouse
Es ist fast wie auf hoher See, auch heute bläst der Ostwind nach Kräften, das Schiff zerrt an den Seilen, die Platanensamen fliegen, die Augen tränen und geniest wird alle Nas' lang, womit sonst.

Heute wird gewaschen und getrocknet (Elke), was die Hafenmaschinen halten. Ich bestehe wieder die Wagnisse der Bedienung französischer Fahrkartenautomaten und erstehe ein Fahrkarte Toulouse – Agen zum Seniorenpreis in der blauen Periode (ja, das kann ich alles)für 16,50 €, um das Auto nachzuholen. Dass der Schaffner im Zug meine stolz präsentierte Fahrkarte allerdings als Quittung für die Visa-Bezahlung meiner Fahrkarte identifiziert, während dieselbe wohl noch im Ausgabefach des Automaten liegt, ist eine andere Geschichte, soviel jedoch noch: der Schaffner akzeptiert nach kurzem wohlwollenden Wortwechsel die Visa-Quittung mit einem schwungvoll dorthinein geknippsten Loch seiner Amtszange.

Montag, 09.05. Liegetag in Toulouse
Ein Loblied auf die Helden des französischen Alltags!
  1. Mme La Capitaine du Port St.Saveur, die Hafenmeisterin im städtischen Hafen Toulouse
  2. Colonnel Hurteau, Pompier Plongeur de Toulouse, Oberst Hurteau, Taucher der Feuerwehr Toulouse
Mme La Capitaine versieht ihr Amt mit einer Leidenschaft, die ihresgleichen sucht, sie ist Auskunftsbüro, Wetterwarndienst, Wäsche- und Trockenautomatexpertin und...sie versteht was von der Navigation. Das hatte ich schon bei unserem ersten Aufenthalt gemerkt, aber jetzt, wo es mit unserem kaum steuerbaren Schiff (die Schraube! Schon vergessen?) darauf ankam, hat sie es gekonnt vom Steg mit aller Kraft abgehalten, wußte sofort die zugeworfenen Seile gut einzusetzen und geschwind zu vertäuen. Ja, und hatte noch beruhigende Worte für die etwas flatternden Nerven von Skipper und Skipperin. In der Tat stellte sich heraus, dass sie auf einem Schiff geboren und mit der Flussschifferei groß geworden ist.
Aber, besser noch, sie kennt Colonnel Hurteau von der den Sapeur-Pompiers und sagte gleich am Samstag, ja, wenn der „Colonnel“ am Montag nach dem Wochenende wieder im Dienst sei, der könne uns vielleicht mit unserem malheur d'hélice (hélice=Schiffsschraube) helfen. Ja, den haben wir in der Tat nötig, denn nachdem unser Anlegemanöver verarbeitet war, habe ich mich auf die Badeplattform gelegt und mit dem Bootshaken unter dem Schiff herumstochernd etwas nachgiebiges, größeres Etwas erfühlt, aber konnte es mit dem Haken auch nicht wesentlich verschieben, loszerren, geschweige denn entfernen. Ich habe dabei allerlei Assoziationen an Edgar Wallace und Themse-Morde verdrängt. Am Sonntag noch kurz mit der Hafenkapitänin gesprochen, kein Problem, demain matin (übrigens hier gesprochen „dämäng matäng“) je m'occupe de ça.
Und tatsächlich, als der ansonsten pflichtenlose Skipper gemütlich nach dem Frühstück auf der Capitainerie erscheint: Der „Colonnel“ kommt um 14:15 Uhr und schaut sich die Sache an.
Der streng schauende Pompier links ist nicht unser George Clooney sondern der links sitzende Froschmann

Und Auftritt Alltagsheld Nr.2
Colonnel Hurteau kam überpünktlich (übrigens für die Damenwelt: ein schmucker Vertreter seines Standes), ich habe ihm ein auf mein Smartphone transferriertes Foto unseres Unterwasserschiffes und der Schraubenkonstruktion gezeigt: oui, je reviendrai avec mon collègue dans dix minutes, wenn sie sich umgezogen haben.
Sie kamen, mit Neoprenanzügen, Sauerstoffflaschen, Riesenschwimmflossen und – vor allem - großen, scharfen Tauchermessern. Ins Wasser, unters Schiff, fünf Minuten Luftblasen, und da kam es zum Vorschein, nein, nichts was der Krimiexperte erwartet hätte, sondern eine triviale Decke, Kunststofffaser mit fester Umkettelung, die bekommt auch eine kräftige Vierblattschraube nicht kaputt. Aber jetzt ist alles wieder frei, die Schraube dreht, das Wasserwandern, es hat uns wieder.
Das (eigentlich ja der) Corpus delicti

Anschließend noch in die Feuerwehrstation, die ja praktischerweise gleich neben dem Hafen ist, und für die Taucherkasse einen Obulus entrichtet.
Ansonsten ist vielleicht nebenbei zu erwähnen, das, während in Deutschland – auch in Ostfriesland - Hitzerekorde gebrochen werden, es hier nicht nur weiter stürmt, sondern dazu es auch noch kräftige Regenschauer gibt, was – wie man sich leicht vorstellen kann – Tauchern im Prinzip egal ist.

Dienstag, 10.05. Toulouse - Négra
Bei besserem Wetter - immerhin regnet es nicht,teilweise sogar Sonnenschein -  brauchen wir für sechs Schleusen und 27 KM sieben Stunden. Auf der Hinfahrt waren's nur fünf Stunden. Schuld war eine Péniche, bzw. ein zum Wohnboot umgebautes holländisches Plattbodenschiff, das dummerweise eine halbe Stunde vor uns gestartet war und so lang ist, das es immer nur allein in die Schleusen passte, für den Schleusenvorgang ziemlich lang brauchte und auch ein ganzes Stück langsamer fuhr als wir üblicherweise. Aber sowas kommt vor und macht die Langsamkeit des Schifferseins halt noch etwas langsamer. 
Als wir die letzte Schleuse unmittelbar vor dem kleinen Locabaot-Anlegesteg gemeistert haben, hat sich der Himmel zugezogen und es kam wieder ein kräftiger Sturm auf, der uns das Anlegen noch mal schwer machte. Der hat sich nachts dann gottseidank wieder gelegt.

Mittwoch, 11.05. Négra - Gardouch
Bei schönem Sonnenschein starten wir, und weil wir gestern solange unter unserem harten Schifferdasein gelitten haben, machen wir heute schon nach einer Doppel- und einer einfachen Schleuse um 12:30 nach 2 1/2 Stunden Fahrt in diesem Bilderbuch-Canal-du-Midi-Dörfchen fest. 
Gardouch
Wenn die Sonne sich zeigt, dann wird's gleich richtig warm. Gemütlich auf dem Achterdeck sitzend, der am Horizont sich zeigenden grauen Wolken nicht achtend, denken wir, dass unser in Toulouse zurückgelassenes Auto am schmalen Rand einer Hauptstraße da wohl doch nicht so gut aufgehoben ist, von wo ich es eigentlich erst in einigen Tagen nach einer Zugreise von Castelnaudary holen wollte. Und 31 Kilometer von Gardouch nach Toulouse sind ja noch gut für unseren wackeren Rabelais.
Gedacht, getan. Das diBlasi-Faltmockick von Deck gehieft und aufgeklappt, was umstehende Neugierige immer wieder aufs Neue verblüfft. Den 3-Liter-Tank gefüllt, über das T-Shirt noch ein Polohemd und vorsichtshalber die leichte Regenjacke übergezogen, Sturzhelm auf und los geht’s. Inzwischen ist es schon wesentlich gräuer geworden. Nach 30 Minuten der geschätzten Fahrt mit flotten 20 – 30 KM/h, der – italienische - Tacho zeigt optimistische 40 – 50 KM/h, ein erstes Tröpfchen, bald ein zweites, dann nieselt es. Na, und? Wir sind ja nicht aus Zucker! Dann wird ein richtiger Regen daraus, noch nicht das Schlimmste, aber nach weiteren 30 Minuten ist die Temperatur von über 20° auf 13° gefallen. Nach weiteren 30 Minuten, also wie erwartet 1 ½ Stunden erreiche ich steifgefroren und mit Waschfrauenhänden das Auto. Erst mal reingesetzt, Motor und Heizung plus Sitzheizung an – ja auch das hat unser 20 Jahre alter Bolide. Nach leichtem Auftauen, das „Bike“ zusammengefaltet, in den Kofferraum und geschwind und warm im wasserdichten Cabriolet nach Hause geglitten - vom Einzylinder zum Achtzylinder, statt mit einem PS mit deren 326, das sind Unterschiede. Zurück im Schiff erwartet mich eine bullernde Heizung und von liebender Hand bereiteter heißer Kaffee, dazu Pains aux Raisins. Abends hört der Regen auf, die sternklare Nacht mit zunehmender Mondsichel hat 5° zu bieten.

Donnerstag, 12.05. Gardouch – Le Ségala
Die Sonne scheint über Berg und Tal und hat schnell die Nachtkühle vertrieben. Zunächst bewältigen wir drei der letzten vier Schleusen zu Berg. Vor der vierten legen wir der hier wieder herrschenden Schleusenmittagspause wegen für eine Dreiviertelstunde an und machen einen Spaziergang zum ehemaligen Wasserspeicherbecken in achteckiger Form aus der Erbauungszeit des Kanals, der hier bei Naurouze und dem gleichnamigen Pass seinen Höhepunkt erreicht. Das Besondere des Canal du Midi ist ja, das er zu seiner Zeit (erbaut 1667 – 1681) einer der ersten mit einer Scheitelhaltung war. Das heißt, der Kanal steigt von der einen Seite an und auf der anderen Seite wieder ab. 

da steht's, wo das Wasser herkommt


Riquet, der Erbauer des Kanals, hatte also nicht nur die Aufgabe einer möglichst günstigen Streckenführung mit geringen Höhenunterschieden, sondern auch die, eine ständige und ausreichende Wasserzuführung zu ermöglichen, denn mit jedem Schleusenvorgang fließt ja von der Scheitelhaltung Wasser zur einen oder anderen Seite ab und der Kanal wäre schnell leer gelaufen. Riquet hat aus 50 – 60 KM Entfernung aus verschiedenen Wasserläufen der Montagne Noir Zuflusskanäle und entsprechende Staubecken bauen lassen, aus denen eben hier bei Naurouze das Wasser den Kanal speist.
Und hier sind wir, am höchsten Teil des Kanals, hier fließt das Wasser aus den fernen Bergen zu

Nach der Mittagspause steigen wir noch einmal in der Schleuse „Ocean“ 2,62 Meter auf und haben die Scheitelhöhe von 190 Meter über Meerespiegel erreicht. Auch heute sind wir nicht allzu fleißig und legen nach weiteren drei, insgesamt 15 Kilometern in Le Ségala an. Etwas umständlich wegen flachen Ufers mit unserer Leiter-Gangway als Abstandshalter. Da wäre das Balancieren mit dem immerhin 38 Kg schweren Rabelais ans Ufer waghalsig und etwas Sport schadet auch nicht. Also das leichte Rennrad vom Boot und die 15 KM nach Gardouch auf hier asphaltiertem, den Kanal begleitenden Radweg zurück nach Gardouch geradelt, etwas schweißtreibend in 50 Minuten. Kaum zurück mit dem Auto, nähert sich eine immer dunkelblauere Wolkenwand, die schließlich ein kleines Gewitter und einen lang anhaltenden Regen entlädt durch welchselben wir in kurzem Fußmarsch das Restaurant „Relais du Riquet“ erreichen, in dem man ausgezeichnet und preiswert essen kann. Das hatten wir schon auf der Hinfahrt vor knapp vier Wochen entdeckt.

Freitag, 13.05. Le Ségala – Castelnaudary
Zunächst trocken durch fünf Schleusen, davon eine Doppel- und eine Dreifachschleuse, kurz vor dem Ziel aber doch noch ein kleiner Nieselschauer. Gleich nach dem Anlegen im schönen Castelnaudary um 12:30 Uhr kommt ein wenig die Sonne durch, gleichzeitig aber auch kräftiger Westwind. Das bedeutet wieder harten Kampf mit dem Gegenwind für mein Mockick auf der Auto-Nachholfahrt, die dennoch in kaum mehr als einer Stunde bewältigt ist. Am Nachmittag größerer Einkauf und danach, man glaubt es kaum, ist schon wieder Schluß mit dem sommerlichen Intermezzo: dunkle Wolken und kräftige stundenlange Regengüsse. So hatten wir uns das mit Südfrankreich und dem Frühling nicht vorgestellt. Aber es ist nun mal nicht zu ändern.


Samstag, 14.05. (Pfingstsamstag) Liegetag in Castelnaudary
Die ganze Nacht hat es geschüttet und morgens auch, da bleiben wir liegen, und zwar im Bett länger als sonst und im Hafen sowieso. 

Pfingstsamstag in Südfrankreich 
Ab 14:00 Uhr wird’s trocken, am Nachmittag sogar etwas Sonne. Das Wetter kommt mir am Vormittag gar nicht ungelegen, da kann ich bei gutem WIFI – Empfang Arbeiten für den Broterwerb erledigen, die auch noch ab und an anstehen, aber nicht ungelegen kommen. Nachmittag noch ein Besuch im großen Intermarché im Industriegebiet von Castelnaudary. Heißt u.a. für das Abendessen: frische Austern und dto. Fischpastete.

Sonntag, 15.05. (Pfingstsonntag) Castelnaudary – Bram
Nachts noch heftige Regenschauer, aber vormittags - wie im Wetterbericht angekündigt - beruhigt es sich und um 10:00 Uhr werfen wir die Leinen los, einige blaue Löcher sind im Gewölk zu entdecken und wir beginnen den Tag mit der Vierfach-Schleuse von Castelnaudary, die wir in 22 Minuten bewältigt haben. Bei immer besserem Wetter folgen weitere 11 Schleusen und um 15:15 haben wir einschließlich der Schleusenmittagspause von einer Stunde 16 KM zurückgelegt und machen fest im Hafen von Bram, 1,6 KM vom alten Ort, der zu Augustus' Zeiten Eburomagus hieß und seit dem Mittelalter sich immer um die Kirche herum zu einem kreisförmigen Ort entwickelt hat. Die ehemalige Kanalkontrollstation im Hafen von Bram (was mögen die wohl kontrolliert haben?) beherbergt heutzutage eine kleine Mietbootstation und die „Isle des Oiseaux“, ein Restaurant, welches wir schon voriges Jahr aufgesucht haben, das, als wir im April hier vorbeikamen, noch geschlossen hatte, aber dessen Fisch- und Schalentiergerichten wir heute Abend zusprechen, nicht ganz preiswert, aber gut. Am Nachmittag hatte ich per Rabelais noch schnell in 1 ½ Stunden das Auto nachgeholt.


Montag, (Pfingstmontag) 16.05. Bram – Villesequelande
Um halb 11:00 brechen wir bei sonnigem Wetter mit einigen Wolken auf, passieren die Schleuse Nr.35 Beteille von 11:05 – 11:20 und erreichen Villesequelande um 12:00. Dort legen wir an, und geniessen wie schon im vorigen Jahr diesen ruhigen, schönen Liegeplatz mit weiter Aussicht über Weinfelder auf die Berge der Montagne Noir bei endlich warmen Wetter. Um 13:00 Uhr hole ich in 50 Minuten das Auto, der Rest ist Faulenzen.

Für mich der schönste Liegeplatz am Canal du Midi

Dienstag, 17.05. Villesequelande – Carcassonne
Nachdem ich am Morgen zum Wassertanken die an der Anlegestelle vorhandenen typisch französischen Trinkwasserspender (Druckknopf, Wasserhahn ohne Gewinde) mit einer trickigen Kombination aus kleinem Spanngurt (damit nicht immer wieder der Druckknopf gedrückt werden muß) und konischem Aufsteckanschluss mit feststellender Schraubklemme der segensreichen Firma Gardena (womit ein Schlauch an einen gewindelosen Hahn angeschlossen werden kann) überlistet habe, werfen wir nach gemütlichem Decksfrühstück um 10:20 Uhr bei bestem Mützenwetter (sagte meine Mutter immer, was immer das eigentlich bedeuten sollte), also sonnig und warm, die Leinen los und sind bis zur Mittagspause (der Schleusen 12:30 – 13:30) in Carcassonne, machen aber nach der Mittagspause noch die Schleuse unmittelbar nach dem Hafen mit ihrer sehr niedrigen, aber für uns gerade noch machbaren Brücke (d.h. wir müssen die Windschutzscheiben nicht legen) und legen unmittelbar dahinter in ausgesprochen ruhiger Umgebung an: Hauptbahnhof Carcassonne mit vielen Personen- und Güterzügen und noch mehr Durchsagen, mehrere Hauptstraßen mit den wahnsinnigen und offensichtlich gehörlosen Moped- und Motorradfahrern Frankreichs, aber sonst schöner Steg, Strom, Wasser, WiFI zum Spottpreis von 19,40 €. (Die meisten anderen Liegeplätze mit Strom- und Wasserversorgung am Canal du Midi kosten so zwischen 12 und 14 €.) Rabelais trägt mich in einer halben Stunde zum Auto in Villesequelande und das uns beide in 10 Minuten zurück nach Carcassonne, wo der restliche Nachmittag entspannt in besagter ruhiger Umgebung im Liegestuhl auf dem Achterdeck verbracht wird. Am Abend bereitet die Skipperin Tortellini mit Rotbarben, dazu ein schöner Weißwein. Und morgen -so verspricht der Wetterbericht durch das für Gäste 30 Minuten kostenfreie Internet – soll es auch wieder schön sein. Schau'n mer mal.

Mittwoch, 18.05. Carcassone – Trèbes
Um kurz vor 10:00 legen wir ab, nach 20 Minuten kommen wir zur ersten Schleuse nach Carcassone, der dann eine Dreier-Schleusentreppe folgt. Bei grauem Himmel sind wir los, bald darauf heller Sonnenschein und nahezu wolkenloser Himmel. Es folgen noch zwei weitere Schleusen und nach 11 KM legen wir um viertel vor Eins in Trèbes an, das eine kleine Platanenpromenade mit Cafès und Restaurants am Kanalufer aufzuweisen hat und deswegen Ziel vieler Touristen ist. Wir machen unser Schiff direkt vor einer Pizzeria und einem Café fest, buchstäblich unter einem Kaffehausstuhl, wo sich ein Poller befindet. 
Trèbes
Anschließend gleich das Auto per Rabelais in einer dreiviertel Stunde nachgeholt.
Am Nachmittag gibt’s ein englisches „Hello“ von einem Ehepaar, das wir im vorigen Jahr bei einem langen Schleusentag und einigen gemeinsamen Tagen in Castelnaudary kennengelernt haben und die ihr Boot unterhalb der Schleuse von Trèbes liegen hatten. Als wir dann auf dem Achterdeck gemeinsam ein Gläschen Rosé (oder waren es zwei?) tranken, musste sich natürlich die Sonne hinter Wolken verbergen, die auch noch einige Tropfen auf uns regneten. Das konnte unseren Bootsfahrergesprächen aber keinen größeren Abbruch tun.
Am Abend waren wir zum Essen in der ebenfalls an der Kanalpromenade liegenden „Poissonerie modèrne“, die wir auch voriges Jahr schon zweimal zu unserer Zufriedenheit aufgesucht hatten. Diesmal war das Urteil gemischt, meine Plat de Fruits de Mer war sehr gut, aber was kann man auch groß falsch machen beim Servieren von Austern, Garnelen, Krabben und einem halben Hummer? Elkes Spieß von Lachs und Jakobsmuscheln hingegen ließ sehr zu wünschen übrig. Lidl – Lachs ist dagegen 10 mal besser.


Donnerstag. 19. Mai Trèbes – Marseillette
Grau und natürlich in der Dreifachschleuse von Trèbes ein kräftiger Guß, aber dann hellt es sich auf und wird ein freundlicher Tag. Nach der Trèbes – Schleuse kommt ein sehr schönes, abwechslungsreiches „Bief“ (Teilstück zwischen den Stauhaltungen/Schleussen) von 10 KM zu dem kleinen Ort Marseillette. Dort machen wir um 12:00 Uhr fest nach zwei Stunden Gesamtfahrzeit. Auto wird nachgeholt.
Es gibt sie noch - die französische automobile Grundausstattung

Freitag, 20.Mai Marseillette – Argens sur Minérvois
Wunderbares Wetter begleitet uns heute auf unserer etwas längeren Strecke mit fast 10 Schleusen – darunter einige Zweier- und eine Dreierschleusen, wir sind fast sechs Stunden unterwegs, bevor wir in Argens um 10 vor Vier die Leinen fest machen. Es hat auch einen Grund: hier an unserem Winterliegeplatz 2015 auf 2016 wollen wir einige Tage bleiben und morgen – Samstag – macht ein örtlicher Winzer vormittags Weinverkauf, sehr gute Rotweine, die Weißweine und der Rosé sind auch nicht zu verachten. Und da wollen wir ein wenig die Vorräte auffrischen, ggfls auch etwas nach Hause mitnehmen.
Mit etwas Rückenwind ist die Auto-Nachholaktion über 20 KM in 40 Minuten erledigt.

Samstag, 21.05. - Donnerstag, 26.05. Liegetage in Argens
Einige Reparatur- und Pflegetage standen an. Die vielen Schleusen sind trotz der geradezu sagenhaften Fahrkünste des Kapitäns nicht ganz spurlos an unserem Boot vorüber gegangen. Die Midi-Schleusen haben die Eigenheit, oval gebogene Wände zu haben mit der Folge, dass ein Boot mit geraden Seitenwänden und über eine bestimmte Länge nicht so ganz parallel zur Schleusenwand liegen kann und da gerne mal hinten mit der Badeplattform etwas anschrammt, vor allem, wenn sich bei langsamer Fahrt am engeren Schleuseneingang der hintere Fender nach hinten wegschiebt und seiner Aufgabe, das Boot von Kaimauern oder Schleusenwänden abzufendern also fernzuhalten, nicht mehr so recht nachkommen kann. Ein weiteres Problem – nicht nur bei den Midi-Schleusen – ist, dass sie manchmal buchstäblich bis zum Rand gefüllt sind und hier die Fender aufschwimmen, über die Schleusenwand gedrückt werden und nun die Bootswand völlig ungeschützt den kaum 10 cm über die Wasseroberfläche reichenden Wänden ausgesetzt ist, wenn der Kapitän nicht beherzt an Land springt und das Boot abhält. - Was nicht immer gelingt.
Kurz, das Boot hat ein paar Schrammen abbekommen, die ich während unserer Liegetage ausbessere. Dann sind einige Fugen unseres Teakdecks auf dem Achterdeck nicht mehr ganz dicht, weil zwei Teakstäbe sich etwas hochgebogen haben. Die habe ich ausgelöst (entfernt) und durch neue ersetzt, verklebt und dann die Fugen ausgegossen. Mit Aushärten und Abschleifen wegen der Wartezeiten dazwischen drei Tage.


Teakdeckreparatur
Und dann war auch noch eine größere Schiffswäsche erforderlich. Dummerweise hat nach derselben der starke Ostwind nach kurzer Pause auf starken Westwind gewechselt und auf das frisch gewaschene Schiff ging ein Regen von pusteblumenartigen weißen Wolken von der nunmehr in Luv (das ist die Windseite) stehenden großen Pappel nieder, die nur an ihre Vermehrung und nicht an unser Schiff dachte. Dann kamen natürlich auch die trivialen, gleichwohl nötigen Säuberungsarbeiten im Schiffsinneren hinzu mit unserem tollen, in Paris für 55 € erstandenen beutellosen chinesischen Staubsauger, der nicht nur - wie alle chinesischen Geräte, in denen Kunststoffe oder Gummi verarbeitet sind – bestialisch stinkt, sondern sich seine Beutellosigkeit mit ständigem Reinigungsaufwand der verschiedenen Staubbehälter und deren Filtersystemen bezahlen läßt und das nach bzw. vor jedem Saugen.
Locaboathafen in Argens sur Minervois
Neben diesen Putz-,Pflege- und Ausbesserungsarbeiten waren es aber auch unterhaltsame Tage, nicht nur weil unser Liegeplatz im Locaboat-Hafen, (Locaboat ist ein Mietbootunternehmen) interessante Anlege- und sonstige Fahrmanöver gänzlich ungeübter, dennoch zu allem wild entschlossener Mannschaften bot, sondern weil wir eine Bekanntschaft aus dem Vorjahr wiedertrafen, die hier einen großen Teil des Jahres im schön aus- und umgebauten ehemaligen Bäckerhaus lebt und uns schon voriges Jahr viel aus der näheren und weiteren Umgebung gezeigt oder uns darauf hingewiesen hat. Leider war das Wiedersehen tragisch überschattet vom Tod der Ehefrau plötzlich Anfang des Jahres. Wegen des von der Frau betriebenen, auf einmal abreißenden e-mail-Kontaktes hatten wie schon so etwas befürchtet. Dennoch konnten wir in manchen Gesprächen, wenn nicht Trost spenden, so dem Witwer mindestens etwas Ablenkung bieten u.a.mit gemeinsamem Muschelkochen und -verzehr – die Muscheln hatten wir vorher beim Fischer im Mittelmeerort Gruissan erstanden.



Freitag, 27.05. Argens – Port Minervois
Endlich ein warmer sonniger Tag ohne allzu viel Wind. Nun brechen wir endgültig auf zur langsamen Rückkehr. Argens ist uns inzwischen ein wenig ans Herz gewachsen. Aber nun, kurz nach dem Hafen die Schleuse Argens und dann liegen 52 Kilometer schleusenfreie Strecke vor uns. Das Auto hatte ich am Vortag schon nach Le Somail gebracht. Um halb zwölf kommen wir dort an, machen hinter der malerischen Brücke noch aus Riquets Zeiten mit alter Poststation fest, froh, einen freien Platz gefunden zu haben zwischen Pénichen und Mietbootstation, denn der Bootsverkehr hat nun doch erheblich zugenommen. Kaum sind alle Seile ordentlich vertäut, kommt ein durch Polo-Hemd mit Logo als wichtig gekennzeichneter, voraus eilender Mitarbeiter einer Hotelpéniche und behauptet, der noch vorhandene freie Platz hinter uns (reserviert für Pénichen) würde nicht ausreichen, denn außer seinem demnächst eintreffenden Schiff käme noch eine anderes und der Teil des Ufers, an dem wir festgemacht hatten, sei auch noch für „Bateaux á passagers“ reserviert. Das ist zwar nirgendwo gekennzeichnet, ausser auf einem in der Nähe stehenden, für Bootsfahrer überhaupt nicht ersichtlichen Übersichtsplan, den ich mir natürlich dann genau anschaue und die Platzansprüche des Logopolohemdianers absolut unbelegt finde. Wir diskutieren noch ein bißchen aus Sport, räumen aber dann das Feld. Wenn man uns hier nicht haben will – fahren wir eben woanders hin. Und das war gar nicht schlecht, denn kaum zwei KM weiter gibt es einen Anlegekai, etwas hochtrabend „Port Minervois“ genannt (knapp einen Kilometer vor dem Abzweig des Canal de la Robine nach Narbonne), wo sich auch eine kleine Bar befindet. Dort gibt es regionale Spezialitäten, Wein und anderes zu kaufen, kleine Snacks, etc. Auf unsere Frage, ob wir hier anlegen können, wird ein freundliches „Bien sur“ zurückgerufen. So machen wir hier fest, der Anlegeplatz ist kostenfrei (allerdings auch ohne Wasser und Strom), ruhig und im Halbschatten schöner Pinien – ja, heute ist Schatten zum ersten Mal auf dieser Reise etwas Angenehmes. Mit einem Eis aus der Bar belohnen wir uns für die bisherigen Anstrengungen des Tages.
Nun mit dem Motorrädchen die kurze Strecke nach Le Somail zurück, dort ins Auto gepackt, das ich dann gleich nach Capestang bringe, unserem Ziel für morgen. Auf meinem „Bike“ zurück zum Port Minervois. Dort schöner lauer Abend an Deck.




Samstag, 28.05. Port Minervois – Capestang
Kaum war's mal schön, ist es morgens grau, nachts hat es etwas Regen gegeben. Mit Rabelais reite ich in den kleinen Ort Mirepeisset Brot holen in der Épicerie, in der es alles für Alle gibt. Nach dem Aufbruch erst immer mal wieder feiner Sprühregen, der sich mehr und mehr zum richtigen Regen entwickelt und in die Regenjacken zwingt. Schade um eine der schönsten Strecken des Canal du Midi, die Aussichten sind bei schönem Wetter eben noch schöner. In Capestang liegt auf beiden Seiten des Kanals alles voller Schiffe, wir finden noch einen Platz, aber hier das Boot bis Ende August liegen zu lassen, geht leider nicht. Wir schauen nämlich langsam nach einem solchen Platz, weil wir Mitte, spätestens Ende Juni wieder nach Hause fahren wollen, um dann im September die Fahrt zu unserem Winterquartier in St.Jean de Losne an der Saône zu unternehmen.
Abends Essen im Restaurant direkt neben der Hafenmeisterei – gut und reell.





Sonntag, 29.05. Capestang – Béziers
Morgens kühl, aber aufgelockert nach kräftigen Regengüssen in der Nacht. Erst grau, aber im Verlauf des Tages immer sonniger, allerdings erneut mit kräftigem Westwind. Wir schippern das letzte Stück der schleusenfreien Strecke auf dem Kanal mit immer wieder schönen Fernsichten zur berühmten Schleusentreppe von Fonserranes, Riquets Meisterwerk. Insgesamt 9 Schleusen haben die Pénichen früher bis zum Orb hinunter getragen – bzw. von dort hinauf. So wurde ein für die Technik des 17.Jahrhunderts erstaunlicher Höhenunterschied von 22 Metern bewältigt. Im 19.Jahrhundert wurde dann eine Kanalbrücke über den Orb gebaut, die die beiden letzten Schleusen zum Fluß ersparte und zum Port Neuf, dem neu angelegten Hafen zwischen Stadt Béziers und Fluß führte. Dem Freizeitschiffer von heute sind damit 7 Schleusen dieser Treppe geblieben, die er – je nach Naturell – als sportliche Herausforderung oder als notwendiges Übel vor den Augen vieler Schaulustiger und oft in Gemeinschaft mit von unterschiedlich begabten Kapitänen geführten Schiffen bewältigen muß. Oft ist auch eine gehörige Wartezeit zu absolvieren, weil sich die Boote hier naturgemäß stauen – pro Durchgang muss mit 50 – 60 Minuten gerechnet werden, die Abfahrten bzw. Auffahrten finden zu bestimmten Zeiten statt. Wir kommen mit etwas Glück 15 Minuten vor Beginn der zweiten talfahrenden Schicht (13:30 – 15:30) als 6.Boot in der Warteschlange an. Die erste Gruppe mit drei Booten startet pünktlich und zehn Minuten darauf wir als letztes Boot in der zweiten Dreiergruppe. Wir können uns beim Ein- und Ausfahren in die Schleusenkammern Zeit lassen, die vor uns fahrenden Mietbootbesatzungen hantieren, sagen wir mal, unkonventionell und zeitaufwändig mit Anlegemanövern und Seilen. Aber eine Kurzeinweisung von dreißig Minuten durch die Mietbootunternehmen ins Schifffahren ist eben nicht unbedingt eine vollwertige Ausbildung.

Nach der Überquerung des Flusses Orb noch eine Schleuse und wir langen im neu gestalteten Hafen von Béziers an, Strom, Wasser, Videoüberwachung (für die Boote), schöner Blick auf das große Hafenbecken, zwei Schleusen, was will man mehr.

Sonntag - Montag, 30.-31.05. Liegen in Béziers
Erst klang es ganz gut, was uns die diensthabende Hafenmeisterin am Sonntag sagte, ja drei Monate das Boot hier liegen lassen würde wohl gehen - und der Preis klang auch akzeptabel. Aber entscheiden würde das der "Big Boss" und der käme am Montag vormittag. Wir also Montag vormittag in die Capitainerie, aber, hélàs, der "Big Boss" kommt erst am Dienstag, sagte seine Stellvertreterin, schüttete aber schon mal etwas Wasser in den Wein, eigentlich würden sie über die Hauptsaison keine Dauerlieger nehmen. Daraufhin haben wir noch in zwei weiteren Häfen in St. Gilles und bei Orange an der Rhone angerufen, die prinzipiell etwas frei hätten, aber der Preis... Dann haben wir eine kleine Auto-Spritz-Tour an den Mittelmeerstrand gemacht und vorher an den kanalmäßig auf Béziers folgenden Ort Villeneuve lès Béziers. Hier liegen sehr viele Schiffe an des Ufers Rand, fast alles Dauerlieger. Keine Bewachung, kein Strom, kein Wasser, aber ruhig, kleiner Ort, in dem es alle wichtigen Geschäfte gibt und vor allem-es gibt eine Lücke in der langen Kette der Dauerlieger, die gerade für uns passen würde...

Dienstag, 01.06., Béziers -  Villeneuve lès Béziers
Es kam wie wir es schon befürchtet hatten, der "Big Boss" war am Dienstag vormittag anwesend, sehr freundlich, erst lehnte er die lange Liegezeit ab, dann verstand er, dass wir keine 35-m-Peniche haben, sondern nur ein "kleines" Boot von 11,50 m, ja da ließe sich was machen, aber in der Hauptsaison gelten nicht die Monatspreise, sondern die erhebliche teureren Hauptsaison-Wochenpreise, das wären für uns um die 900 € gewesen. Vielen Dank, nein, da fahren wir wieder weiter. Kurz vor Mittag gestartet, schaffen wir noch zwei Schleusen, nach der Mittagspause kommen wir in Villeneuve lès Béziers an, die gestern Lücke ist noch frei, wir legen dort an, schlagen buchstäblich unsere Pflöcke ein (um das Boot daran festzumachen) und beschliessen erst mal ein paar Probetage hier zu verbringen und dann zu entscheiden, ob wir das Boot hier lassen.

Mittwoch, 02.06. - Sonntag, 05.06. Villeneuve lès Béziers
Nun haben wir uns entschieden, wir lassen das Boot bis ende August hier, bis wir dann für das Winterquartier in St.Jean de Lôsne aufbrechen. Am kommenden Dienstag werden wir per Auto gen Ostfriesland aufbrechen...
Bis dann, liebe Leser!



Mittwoch, 13. Mai 2015

Frankreich 2015 - Zweiter Teil
Rhone-Sête-Kanal, Étang de Thau, Canal de Midi

Freitag, 1.Mai
Liegetag St. Gilles
Nun sind wir in das Revier der hochpreisigen Liegeplätze gekommen, was im Fall St.Gilles in der Vorsaison für 11 Meter-Boote 22,00 € bedeutet hätte. Aber – hélàs – die Capitainerie ist nur vormittags besetzt, an Wochenenden und Feiertagen gar nicht. Und der 1.Mai ist auch in Frankreich Feiertag. Bedeutet für uns für die Zeit unserer Ankunft am Donnerstagnachmittag bis zur Abfahrt am Sonntagvormittag, dass wir leider kein Liegegeld bezahlen können und dennoch Strom und Wasser genießen.
Nach dem Frühstück mache ich mich mit „Rabelais“ – so nennen wir inzwischen unser Räbbelchen, das Faltmockick von Di Blasi – auf, um unser in Avignon geparktes Auto nachzuholen. Unterwegs wird aus einem grauen, aber warmen Tag langsam, aber zunehmend, ein Regentag. Unterwegs in Beaucaire kam ich in einen Pulk von ungefähr 100 Harley Davids Motorradfahrern, zwischen denen ich zur Erheiterung des dort wartenden Publikums einen zentralen Kreisverkehr umrunden durfte. Aber aller Spaß hat einmal ein Ende. Ich hatte Rabelais zwar den letzten Liter Sprit aus unserem Kanister nachgefüllt, aber ganz voll war der Tank doch nicht geworden und die Strecke zog sich und zog sich und auf einmal spotzte mein tapferes Gefährt und aus wars, ca 8 KM vor Avignon auf freier Strecke und weit und breit natürlich keine Tankstelle. Halt! der Benzinhahn hat ja auch noch eine Reservestellung, also den Hahn umgelegt, den Kickstarter betätigt … und abgerutscht ….und mitsamt Rabelais ins nasse Gras gefallen, die Fußraste rammt sich auch noch schmerzhaft und später zu gewaltiger Schwellung führend in mein Schienenbein. Aber ein mockickfahrender Schiffer kennt keinen Schmerz, aufgerichtet, noch einmal den Kickstarter betätigt, tatsächlich, die Kiste springt an und ich auf sie, hurra!... Nach 800 Metern war aber auch das Reservevergnügen beendet. Da habe ich Rabelais erst einmal an einen Pfahl gestellt, abgeschlossen und demütig mit abgenommenem Helm am Straßenrand den Daumen gehoben. Das hat leider keinen Autofahrer beeindruckt und ich dachte schon an einen längeren Fußmarsch, als die Rettung kam in Gestalt eines „Kollegen“: ein echter Mann, mit Chopper (schweres Motorrad mit großem Lenker und Fransen an den Satteltaschen) fuhr langsamer werdend an mir vorbei, wendete und kam wieder zurück. Kurz sagte ich: „Pas d’essence“ und ob er mich nach Avignon mitnehmen könne? Ein kurzes Nicken, ob ich mein „Bike“ auch abgeschlossen hätte und schon konnte ich mich auf den Sozius schwingen  und machte so die erste Motorradfahrt meines Lebens auf dem Rücksitz, nicht ganz furchtlos, wie ich gestehen muß. Der nette Motorradfahrer hat mich tatsächlich bis zu meinem Auto am „Quai de Ligne“ gefahren und in einer Geschwindigkeit, die meine vorherigen Zeitverluste mehr als wettgemacht haben. Mit dem Auto zu Rabelais, den eingepackt und um 15:00 Uhr war nach 3 ½ Stunden die Autonachholaktion beendet.
Am Nachmittag sind wir per Auto nach Arles gefahren und haben bei wieder trockenem, später sogar sonnigen Wetter brav die römischen Hinterlassenschaften Amphitheater und Theater besichtigt. 

Abends dann Essen im direkt an unserer Anlegestelle liegenden  Restaurant.

Samstag, 2. Mai
2.Liegetag St.Gilles
Blauer Himmel, einige Streifenwolken, warm.
Stierveranstaltung in St. Gilles, in der Arena, die hier wohl jeder Ort hat wie andere Fußballplätze, vorher aber gibt es den Auftrieb der Stiere, den verpassen wir allerdings, weil wir im örtlichen NETTO und Lidl unsere Biervorräte (nach deutschem Reinheitsgebot) auffrischen und gestern uns jemand im Brustton der Kennerschaft versichert hat, der Auftrieb durch die Stadt fände um 16:00 Uhr statt. 
Absperrungen für den Stierauftrieb
Ja, der Franzose und der Rheinländer stehen sich da nahe, lieber eine falsche Auskunft als keine, mer wolle ja bloß helfe…
Per Auto schauen wir uns dann Beaucaire, Bellegarde an und Gallicias, wohin wir am nächsten Tag per Boot fahren wollen.

Sonntag, 3. Mai
St.Gilles – Gallicias
Nachdem wir uns von unserem Schiffsnachbarn – einem geschätzt hundertjährigen, na ja, sagen wir, achtzigjährigen Belgier - verabschiedet haben, der von November bis Mai hier in einem 6,50 Meter Boot aus den 30iger Jahren überwintert, 

um das Sommerhalbjahr in Liege(Lüttich) auf einem anderen Boot zu verbringen, ob das nun noch kleiner oder viel größer ist, haben wir nicht erfahren – also nachdem wir uns von diesem netten Mann verabschiedet haben, erreichen wir nach 1 ½ Stunden und 15 KM Gallicias.
Damit  sind wir im Naturschutzgebiet der berühmten Camargue,  in St. Gilles und dem ersten Teil des Rhone-Sête-Kanals waren wir nur am Rand. Man sieht schilfige Seen, kleine Wasserläufe, viele Vögel und natürlich die „wilden“ weißen Pferde. Die nebenbei nicht wild sind, ihre Besitzer bzw. Brandzeichen haben, aber in durch Wasserläufe und wenige Zäune begrenzten großzügigen Gehegen laufen und auch gern mal die kleinen weißen Kuhreiher auf ihren Rücken haben, 

die sie in friedlicher Koexistenz von insektoiden Plagegeistern befreien. Wegen ihres Namens gehören diese Reiher eigentlich auf Kuh- besser Stierrücken, da sieht man sie auch, aber es macht ihnen nichts aus, auch auf Pferdesrücken ihr Dasein zu fristen. Im Übrigen hat die Landschaft auch etwas von ostfriesischen Weiten, aber es ist wärmer und das nächtliche Froschkonzert verhält sich wie Beethovens Fünfte zur Kleinen Nachtmusik. Und natürlich ist der ortsansässige Stier- und Pferdebesitzer wie ein texanischer Cowboy gekleidet (oder die wie in der Camargue?), da fällt der Ostfriese in grüner Stalljacke und dunkelblauer Schirmmütze doch etwas ab.

Also in Gallicias sind wir jetzt, ein Dörfchen mit einem kleinen Hafen, in dem wegen Platzmangels die Boote ebenfalls  rechtwinklig zum Kanal mit dem Heck zur Kaimauer anlegen müssen. Wie gesagt, ist das nicht so das Wahre für uns, so dass wir etwas über den Hafen hinaus fahren, frei am hier senkrecht abgebrochenen Ufer festmachen, was mit etwas Arbeit verbunden ist, weil wir wegen mangelnder Wassertiefe nicht ganz ans Ufer fahren können. Aber seit vorigem Jahr sind wir darauf vorbereitet, unsere Zwei-Meter-Leiter, am einen Ende mit Rollen, am anderen mit einem Haken versehen, den wir an der Bordwand einhängen, sorgt einerseits für die Überwindung des Abstandes zwischen Boot und Ufer, zum anderen für die Wahrung dieses Abstandes, damit unser Schiff nicht aufsetzt oder sich im Uferschlamm festsetzt. 
Die Leiter also und zwei große Häringe, die am Ufer für die Festmachleinen eingeschlagen werden, sorgen für einen – auch „nautisch“ vertretbaren – Liegeplatz, an dem unser Boot selbst durch die ein bis zwei 110 - Meter –Frachtschiffe pro Tag nicht aus der Ruhe, sprich Verankerung gebracht werden. Strom und Wasserversorgung gibt’s da natürlich nicht, aber wir haben den Wassertank voll und die Batterien sind voll geladen.

Nach St. Gilles, wo wir direkt vor der Straßenbrücke gelegen haben, genießen wir die Ruhe und die Abwechslung vieler auf dem bestens ausgebauten Uferweg vorbeifahrenden Radfahrer auf der „Via Rhone“, die zu einem West-Ost-Radwanderweg von der Atlantikküste bis nach Ungarn gehört.
Vorher habe ich noch schnell unser Auto geholt, was in anderthalb Stunden erledigt war.
Nachdem wir nun schon den vierten Tag ohne Liegegeld verbringen, gönnen wir uns abends auf dem sonntäglichen Markt in St. Gilles erworbene Austern und Krabben bei einem Gläschen Weißwein – Vin de Sable aus der Region.

Montag, 4.Mai
Liegetag in Gallicias
Nach spätem Frühstück mit per Rabelais geholtem frischem Brot vom örtlichen Bäcker (ungewöhnlich, da die Bäcker in Frankreich gewöhnlich montags geschlossen haben) machen wir per Auto einen Ausflug nach  Saintes Maries de la Mer und atmen auf dieser Reise so das erste Mal die Luft des Mittelmeeres in diesem auch wegen der französischen Frühlingsferien etwas rummeligen Ort, deren berühmte Kirche, bzw. deren berühmtes Dach man besteigen kann. 

Das haben wir unterlassen, kennen wir schon, wir waren schließlich schon 1971 mal auf diesem Dach. Anschließend weiter nach Aigues-Mortes mit seiner beeindruckenden, vollständig erhaltenen Stadtmauer, die den Ort in einem gleichmäßigen Rechteck begrenzt . 

Dann noch nach Grau du Roi, mit großen Möven, vielen Touristen und mäßig schönen Bauten mit „seitlichem Meerblick“.
Zurück in unserem kleinen Gallicias kaufen wir „Specialiteés du Terroir“, nämlich Vin de Sable (weiß) aus Gallicias und Confit de Figue, das hervorragend zu Foie gras passt. Anschließend im örtlichen Restaurant (mit kostenlosem WiFi_Angebot) bestens für 60,00 €  2 Menüs mit Wein und Kaffee genossen.

Dienstag, 5.Mai
2.Liegetag in Gallicias

Heute ein bißchen Schiffsarbeit verrichtet, Schlauchboot geflickt und Heck des Schiffes gewaschen und gewachst. Nachmittags ins örtliche Café-Restaurant – in dem wir gestern gegessen haben – einen Pastis bestellt und das kostenlose WiFi-Angebot für Mail-Check und Bankgeschäfte genutzt.
Abends dann bescheidenes Mahl auf dem Achterdeck, Austern, Foie gras und Weißwein…


Mittwoch, 6. Mai
Gallicias – Carnon

10:20 – 13:50 Uhr, 29 KM. Der Rhone-Sête-Kanal führt jetzt ganz nah ans Mittelmeer heran, durch die Etangs (Haffs) unmittelbar hinter der schmalen Küstenlinie, an dessen Sandstrand sich einige Badeorte aneinanderreihen. 

In Carnon kreuzt ein kleiner Zufluß des Étang de Maugion den Kanal, in dem – zum Ètang zu  - sich lt. Flußkarte Liegeplätze befinden sollten, die gibt es auch, sind aber von Dauerliegern belegt und verfügen mitnichten über Wasser- und Stromversorgung. Im Kanal selbst, kurz vor dieser Kreuzung sollten ebenfalls Liegeplätze sein, hier aber residiert eine Bootsvermietung, mit nur wenigen freien Plätzen. Dennoch finden wir im Zufluß vom Ètang einen freien Steg von 1 Meter Breite, an dem wir zwischen zwei Booten (vorn und hinten knapp einen Meter Platz) bei Strömung und Wind dank der Hilfe eines freundlichen Bootsnachbarn gut anlegen können. 

Strom und Wasser gibt es wie gesagt hier nicht, aber Strom haben wir selbst und Wasser sollten wir trotz vier Tagen ohne Nachschub noch genügend haben (unser Tank fasst knapp 400 Liter) und wir brauchen kein Liegegeld zu bezahlen.
Das Auto nachzuholen wird etwas anstrengend, mit dem Mokick kann ich nicht die als Radwege ausgebauten ehemaligen Treidelpfade benutzen, weil Radfahrern und Fußgängern vorbehalten, und wegen der Etangs und der Sumpfgebiete die Straßen etwas weitläufige Verbindungen schaffen; nach über zwei Stunden und knapp 60 KM habe ich via Grande Motte , Grau du Roi, Aigues Mortes schließlich Gallicias erreicht, die ganze Aktion hat von 14:50 – 17:45 gedauert und mein Hintern ist von der Siitzbank der Firma Di Blasi ganz schön strapaziert.
Der abendliche Gang in den Retortenferienort mit Riesen(see)jachthafen

 in einem Geviert aus fragwürdigen Appartementhäusern, Palmen und Kneipen läßt uns nach einem Labyrinth durch weitere Ferienhäuser endlich den Strand finden. 

Das Meer ist ja immer schön, aber der Blick nach Osten Richtung la Grande Motte, oder nach Westen Richtung Sête bestärkt uns in der elitären Auffassung, das wir doch lieber auf dem Boot auf einem Kanal schippern, als hier am Strand zu liegen.

Donnerstag, 7.Mai
Carnon – Pallavas-les-Flottes

Heute haben wir nur eine Strecke von 5 KM weiter den Kanal zwischen zwei Etangs, Elke fährt mit dem Auto, sodass sich die Fahrt mit dem Räbbelchen und damit auch das Hoch- und Runterwuchten des 38 Kg-Maschinchen erübrigen.
Pallavas liegt an der Mündung des kleinen Flusses Lez, der den Kanal kreuzt. Man biegt links ab, stromab, muß eine Brücke mit einer Durchfahrtshöhe von 3,20 m passieren. Das bedeutet für uns, das wir unser Verdeck legen müssen, das Bimini ebenfalls, den Mast etwas abkippen und – beinahe wär’s wieder passiert - auch die Fahne am Heck  wegnehmen, denn die ragt auch ganz schön in die Höhe. Dank unserer Karte waren wir vorbereitet und haben diese Arbeiten vorm Ablegen in Carnon erledigt. Nach knapp einem Kilometer auf dem Lez kommt rechts der in der Karte eingezeichnete Hafen, vor dessen Einfahrt dicke Schilder stehen, das (auf Französisch) keine Penichen, (auf Englisch) keine Barges und (auf Deutsch) keine Hausboote einfahren dürfen. Für mich sind Penichen und Barges die typischen kleinen Berufsschiffe in den Freycinet – Maßen (33 m lang, 5 m breit), dazu ein Bild, was ebensolche Schiffe zeigt. Also sehe ich keinen Grund, nicht in den Hafen einzufahren, zumal das Echolot auch 1,40 m Wassertiefe zeigt. Elke wartete schon an der Hafeneinfahrt und meinte, das wohl kein Platz mehr frei sei, aber schau’n mer mal. Großes Rufen vom Ufer, das ich zurückfahren soll, weil zu wenig Wassertiefe. Mein Echolot zeigt zwar immer noch 1, 40 m (unser Tiefgang ist 1,20 m), aber gut, dann dreh‘ ich halt um…dachte ich, denn ich bekam unseren Kahn nicht herum, offensichtlich großer Widerstand im Modder, also gerade rückwärts zurück und wieder frei gekommen und aus dem Hafenbecken heraus. Etwas weiter unten, so zeigte auch das Schild mit dem Einfahrtsverbot, konnte man dann, schräg zwischen zwei Anlegestegen anlegen, weil auch hier am Ufer zu wenig Tiefe war. Warum dann statt der großartigen, aber meiner Meinung nach völlig falschen Schilder nicht einfach an der Hafeneinfahrt eine Angabe über die geringe Wassertiefe steht?...Wir wissen es nicht, aber einmal mehr habe ich bemerkt, das ein Echolot bei modderigem Grund Schwierigkeiten mit der genauen Angabe hat.
Na, jedenfalls gelingt uns das Anlegemanöver schräg-quer zum Fluß und dessen Strömung und zwischen zwei Stegen ganz gut, ein ausgedienter Fender quer an der Bordband schützt vor den spitzen Ecken der Stege. Die Strömung drückt nämlich ganz schön und jede Menge kleiner Motorboote brausen in schneller Fahrt und wellenreich den ganzen Tag über vorbei. Hinter dem Kai ein großer Wohnmobilplatz auf dem sich knapp 100 komplett belegte Plätze befinden mit gemütlichen Campingstühlchengassen auf heissem Asphalt zwischen den Wohnmobilen. 

Das Liegegeld ist mediterran, d.h. 25,44 € incl. Strom und Wasser.
Pallavas ist ein etwas rummeliger Badeort, der aber in niedriger Bebauung keine Appartement- oder Hotelhochhäuser 

und mit kleinen Sträßchen doch eine ganz nette Atmosphäre hat.


Freitag, 8.Mai
Pallavas–les-Flottes – Liegetag

Das Wetter ist schön, Sonnenschein und angenehmer Wind, vormittags ist Fischmarkt zu beiden Seiten des Lez, warum also nicht einen Tag bleiben, durch den Ort zum (See-)Hafen bummeln und später auch mal die Vorräte im AUCHAN-Supermarkt auffüllen.

Samstag, 9.Mai
Pallavas-les-Flottes – Frontignan

Der Wind hatte schon am Nachmittag des Vortages von Süd (angenehme Brise vom Meer) auf Nordwest (von den Bergen her) gedreht, heute morgen war er ganz schön frisch, die Sonne scheint und wir legen ab, um weiter Richtung Étang de Thau zu fahren. Auf dem Kanal blies der Wind zunehmend stärker über die flache Ebene mit ihren Etangs  (teils brackige, teils Süsswasserseeen, die einst durch die mäandrierende Rhone und das Zusammenspiel von Wind und Meereswellen gebildet wurden) und man musste aufpassen, dem linken Ufer nicht zu nahe zu kommen, weil man gegen den Wind nicht mehr frei kommen konnte. 
Einem holländischen Plattbodenschiff, das so gegen das Ufer gedrückt war, konnten wir nicht helfen, denn sowie wir heranfuhren, um ein Schleppseil zu übernehmen, hatten wir wegen langsamer Fahrt zu wenig Ruderdruck, auch die Bugschraube richtete da wenig aus. Also volle Fahrt voraus, um nicht selber das gleiche Schicksal zu erleiden. 12:45 erreichen wir Frontignan, dessen Hubbrücke die Weiterfahrt versperrt und nur morgens um 08:30 und nachmittags 16:00 für jeweils eine Viertelstunde öffnet. Vor der Brücke gibt es jedoch Kai’s mit einigermaßenen Festmachmöglichkeiten.

Also machen wir fest und warten, um dann nach erfolgreicher Durchfahrt um 16:00 unmittelbar hinter der Brücke erneut festzumachen an ordentlichen Pollern. Dabei hilft der Capitain de Port de Plaisance Frontignan und erläutert auch die Liegebedingungen: kein Liegegeld, maximal drei Übernachtungen, Chips für die strom- und wasserspendenden Säulen kann man für 2,00 € an einem Automaten mit der Bankkarte erwerben (ähnliches System wie an den Supermarkttankstellen). Wenn man über die an der weiteren Kanalstrecke liegenden großen Tankspeicher hinwegsieht, liegt man in einem netten Örtchen, der Bäcker ist an der nächsten Straßenecke und ein Bahnhof ist auch nur 5 Minuten entfernt.
Um 16:30 ist Rabelais startklar und trägt mich teils auf der Strandstraße am Mittelmeer, teils auf dem Treidelpfad des Kanals in 50 Minuten zurück nach Pallavas, wo unser Auto steht.
Beim abendlichen Gang durch’s Städtchen finden wir kein Restaurant und fahren deswegen ins 3 KM entfernte Frontignan-Plage und laben uns dort in einem kleinen hauptsächlich aus Zeltdächern bestehenden Restaurant  am Strand an Moules/Frites.


Sonntag, 10.Mai
Frontignan – Mèze (Étang de Thau)

Kein Wind, oder nur eine schwache, angenehme Brise und blauer Himmel lassen uns die Weiterfahrt antreten, die über den Ètang de Thau führt. Eine größere Wasserfläche (Salzwasser)  als die, die bisher unser Weg begleitet haben, ca. 25 Kilometer lang und bis zu 10 Kilometer breit. Dabei ziemlich flach. Hier bauen sich bei kräftigem Wind schnell unangenehme kurze Wellen auf und je nach Windrichtung ist auf der einen Seite viel Wasser und auf der anderen wenig, außerdem mindert eine starke Gischtentwicklung die Sicht. Daher ist das Befahren des Thau bei Windstärken über 4 Beaufort (20 – 28 KM/h) verboten. Gestern hatten wir Böen von teilweise 60 – 70 KM/h (entspricht 7 – 8 Beaufort).
Heute aber wunderbares Wetter, herrliche Sicht bis auf die schneebedeckten Pyrenäen in weiter Ferne, zurück auf Sête, das wir bei der Einmündung des hier endenden Kanals Rhone-Sête in den Étang passieren und voraus auf den ehemaligen Vulkan an dessen Fuß Agde liegt. Wir erreichen nach etwas mehr als einer Stunde das ungefähr in der halben Strecke am Nordufer gelegene, ehemalige Fischerstädtchen Mèze mit einem Hafen, hinter dessen Mole mit wunderbarem Blick über den ganzen See wir einen wunderschönen Liegeplatz haben. 

Die 28,39 € (ja, 39 Cent nach dem Komma) Liegeld sind es wert. Am Abend gehen wir Leichtsinnigen schon wieder essen in einem der zahlreichen Restaurants am Hafen, die nicht übervoll waren. (Sonntag und die französischen Frühlingsferien enden heute). Menue fü 14,90 € mit Fischsuppe bzw. Tortilla zur Vorspeise, Hauptgang auf dem Holzkohlenfeuer gegrillten Loup de Mer (Wolfsbarsch)  und anschließend noch ein Nachtisch, da kann man nicht meckern.

Montag, 11.Mai
Mèze – Agde (Rundschleuse)

Warm bis sehr warm, angenehm kühlende Brisen, Sonnenschein. Um kurz vor 11:00 Leinen los, weiter über den Étang de Thau, an dessen westlichem Ende wir in den hier beginnenden Canal de Midi einfahren. Der Canal de Midi zählt zum Weltkulturerbe, wurde zum größten Teil von einem Monsieur Riquet (und zum Teil auf seine Kosten) erbaut und nach dessen Tod von großem Baumeister Ludwig des XIV., Vauban vollendet. Er verbindet zusammen mit der Garonne/Gironde den Atlantik mit dem Mittelmeer und ist mit für die damalige Zeit erstaunlichen technischen Lösungen zur Wasserhaltung und zur Schleusentechnik in der Tat ein technisches Kunstwerk.
Genau zum Beginn der Mittagspause kommen wir an der ersten Schleuse an, pünkltlich um 13:30 öffnen sich die Tore und um 14:15 erreichen wir das erste technische Kunstwerk, die Rundschleuse von Agde. 
Etwas später als die von Mr.Riquet gebaut, aber immerhin die einzige Rundschleuse mit einer echten Kreuzung, d.h. vier Aus- bzw. Einfahrten gibt es natürlich nur in Ostfriesland: die Rundschleuse von Emden

Sie ermöglicht einmal die Fahrt geradeaus auf dem Kanal, zum anderen im rechten Winkel abzweigend in den Fluß Herault, an dem Agde liegt, und der wenig später im Mittelmeer mündet. Um 14:15 ist allerdings gerade erst einmal die Querschleusung dran und wir müssen 30 Minuten warten. Hinter der Schleuse liegt ein kleiner Hafen, der hauptsächlich von Dauerliegern und den Booten eines Charterbootunternehmens belegt ist. Wir aber finden dort einen Platz, schattig, mit Wasser und Strom, einem netten irischen Hafenmeister und einem nach den Verhältnissen zwischen Rhone und hier günstigen Liegeld von 15 Euro. Außerdem liegt der Bahnhof von Agde nur 10 Gehminuten entfernt.

Dienstag 12.Mai
Agde - Liegetag

Der Tag beginnt mit grauen Wolken, wohl mehr Hochnebel vom Meer, gegen Mittag hat sich die Sonne aber wieder durchgesetzt. Wir fahren mit der Eisenbahn zu zweit, aber über 60 und in der blauen Zone für ganze 10,20 € von Agde nach Frontignan, setzen uns dort in unser Auto und fahren über Sête die Küstenstraße Richtung Agde, machen auf einem der zahlreichen und um diese Jahreszeit und an einem Wochentag sehr leeren Strandparkplätze halt, übersteigen die Dünen und genießen das Meer und den Sand. 

Am Spätnachmittag ein Bummel durch Agde und ein abendliches Essen (schon wieder) im Restaurant „Perle Noir“ auf einem von der Abendsonne beschienen Ponton am Herault-Ufer. Die Menues für 17,90 bzw, 23,90 waren gut und natürlich fischig und meeresfruchtig. 


Mittwoch, 13. Mai
Agde  - Villeneuve-les Béziers
Die Liegeplätze mit allem Komfort in Villeneuve an einem Campingplatz  laut Guide fluviale) entpuppen sich als ein kurzer Steg vor dessen Eingang und sehen wenig einladend aus, andere Liegeplätze werden mal wieder von Dauerliegern meist schrecklicher Seelenverkäufer belegt. Die städtischen Liegeplätze unmittelbar vor Brücke und Schleuse haben zwar Wasseranschlüsse, die aber nicht in Funktion sind. Stromanschlüsse gibt es keine, dafür Schatten spendende Platanen, der aber in Verbindung mit frischem Wind recht kühl ist und das Draußensitzen durch ziemlichen Verkehrslärm zusätzlich beeinträchtigt ist. 

Mit Rabelais über meist Radfahrern und Fußgängern vorbehaltenen Treidelpfade zurück nach Agde in 45 Minuten und Auto holen.


Donnerstag, 14. Mai
Villeneuve-les Béziers – Beziers
Anfangs blauer Himmel und sehr warm, nachmittags fällt das Barometer rapide. Die Fahrt durch drei Schleusen mit insgesamt 6 Kilometern dauert gerade eine Stunde. Für die Entfernung wuchte ich doch Rabelais nicht vom Schiff, zum Einsatz kommt das leichte Rennrad, in 15 Minuten über den Radweg längs des Kanals bin ich in Villeneuve, die Autofahrt zurück ist kaum kürzer.
Der Wind (NW) wird immer stärker, gegen Abend bewölkt und kühl. Platanensamen und andere Pflanzenabsonderungen fliegen durch die Gegend, ständiges Niesen, Augenbrennen und teilweise Hautjucken sind die Folge.
Am Abend wegen Trägheit – und weils vom Hafen zur Innenstadt von Beziérs steil bergauf geht – per Auto zur Stadtbesichtigung mit anschließendem 19,90 € Menue.
Mr.Riquet, Erdenker und Erbauer des Canal de Midi stammt aus Beleziérs


Freitag, 15. Mai
Beziérs – Liegetag
Meist stark bewölkt und stürmisch.

Markthallenbesuch, Austernkauf und in der Apotheke Maloxaan, (Malox) gegen Sodbrennen französischer Weißbrotesser und Rotweintrinker.
Fauler Nachmittag mit Schläfchen im Salon.


Samstag, 16. Mai 2015
Beziérs – Poilhes
Zwar klart es zunehmend auf, der Wind nimmt jedoch am späteren Vormittag kräftig zu mit teilweise Sturmböen.
Heute 09:00 Start mit der 6-Meter Schleuse Orb gleich nach dem Hafen von Beziérs, dann Aquädukt über den Orb(Flüsschen bei Beziérs),

09:30 Warten bis 11:05 Uhr auf die berühmte Schleusentreppe von Fonserranes, eines der technischen Meisterwerke von Riquet und seit dem 17. Jahrhundert im Prinzip unverändert in Funktion. Sieben Schleusenkammern gehen ineinander über und tragen die Schiffe 13,60 Meter hoch bzw. herunter. Gemessen an den Schleusen auf der Rhone (bis zu 22 Meter Höhenunterschied) nicht besonders beeindruckend, aber für die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts  eine bahnbrechende Leistung.
Für die aufwärts schleusenden Schiffsmannschaft ebenfalls eine Leistung. Man fährt in die ovalen Kammern ein (oval, weil mit den Mitteln der damaligen Zeit die Stabilität der Schleusenwände gesichert werden konnte) und ist in der Regel selbst in der jetzt noch herrschenden Vorsaison weiß Gott nicht allein, denn die Schleusenwärter pferchen ohne Erbarmen drei  und mehr Boote in die Kammer, die oft im dichten Pulk stunden- ja, tagelang vor der Schleusentreppe gewartet haben, weil nur zweimal am Tag geschleust wird. Und die meisten der Boote sind Leihboote, deren „Kapitäne“ ausser dem Tragen der beim Leihbootunternehmen für 7,90 € erworbenen Kapitänsmütze mit goldbelitztem Schirm meist völlig unbekümmert, weil ahnungslos,  in die Schleuse fahren und mit ihrer oft zahlreichen, aber ebenso unerfahrenen wie unbekümmerten,  keinen Unterschied zwischen rauhen Kontakten mit der Schleusenwand oder der Bordwand eines anderen Bootes machenden Mannschaft. Eine erfahrene Bootsfahrerin und große Frankreichkennerin (Doris Sutter, auf deren Reiseberichte im Internet ich hier gerne hinweise) nennt diese Boote zornig bis respektlos „Bummsboote“ (wohlgemerkt mit zwei „m“), ein unterwegs getroffener, ebenfalls befahrener englischer Bootsmann, schilderte den Canal de Midi als sehr schön mit Ausnahme der dort reichlich fahrenden „idiots with their bumper-boats“ (analog der Bumpercars auf der Kirmes, die wir auf gut Deutsch „Autoscooter“ nennen).
Wir hatten jedoch Glück, offensichtlich, weil wir samstags fuhren und am Wochenende meist Wechseltag für die Leihbootmannschaften ist: wir sind um 09:00 Uhr vom Port Neuf in Beziérs in die Schleuse „Orb“ gefahren, gefolgt von einem weiteren Schiff ähnlich unserem und mit erfahrener Mannschaft. So waren wir 09:30 am Warteplatz vor der Schleusentreppe, die sich um 10:00 Uhr für die „bateaux montants“ öffnet. Allerdings hat das Wochenende den Nachteil, das auch Ausflugsboote Besichtigungsfahrten durch die Schleusentreppe anbieten, und als Bateaux de Commerce natürlich Vorrang vor den Bateaux de Plaisance haben. Aber um 11:05 ist schließlich die Reihe an uns und zusammen mit dem anderen Boot – und keinem weiteren, und schon gar keinem „Bummsboot“ machen wir uns an die Arbeit, fahren also in die ovalen Kammern ein und, weil als erstes Boot, bis dicht vor’s Schleusentor (was man wegen der stürmisch einbrechenden Wassermassen beim Öffnen der Schütze (Klappen in den Schleusentoren zur Regelung des Wasserzulaufs bzw. Ablaufs) normalerweise tunlichst vermeidet.Der Schleusenwärter aber will es so. Bei dieser Schleusentreppe ist auch noch das Tor der ersten Schleuse zur zweiten schon geöffnet, die Wassermassen brausen wie beim Niagarafall 

hinein über den Drempel der zweiten (also unserer ersten) Schleuse hinein, noch während dieses Vorgangs werden wir vom Schleusenwärter in die nächste Schleuse beordert. Das geht dann so vor sich, dass der zweite Mann, in diesem Fall die erste Frau, das Seil vorn löst, mit demselben die Treppe zur nächsten Schleuse erklimmt, dabei das Seil vor dem Verhaken in allen möglichen Kanten oder dem Geländer des Schleusentores schützt, der Kapitän (oder wie ich gelernt habe: Schiffsführer und Schiffseigner, den der Kapitän ist ja nur angestellter Bediensteter) gleichzeitig das hintere Seil löst, das Boot aus der ovalen Beuge, vorbei am nebenliegenden anderen Boot durch das schmalere Schleusentor hindurch in die nächste Schleuse manövriert, möglichst ohne irgendwo „anzubummsen“, um dann wieder elegant in der nächsten ovalen Rundung anzulegen und das hintere Seil um einen hoffentlich in der Nähe befindlichen Poller zu werfen, derweil die Bordfrau mit dem vorderen Seil beschäftigt ist.

Das Ganze ist von besonderem Ehrgeiz begleitet, denn per Auto, Motorrad oder Bike oder busseweise  angereiste Seh-Leute stauen sich auf den Brücken und an den Rändern dieser Schleusentreppe mit dem wohltuenden Kitzel der Beobachter von Artisten in der Zirkuskuppel.
Alles geht gut, eine gewisse Leichtigkeit des Schleusenseins hatte sich eingestellt, aber da kommt die letzte Schleuse, in die der Wind so kräftig hereinbläst, das es mir nicht gelingt, mit Motor und Bugstrahlruder an der Schleusenwand anzulegen. Aber meine Bordfrau schafft es mit Bärenkräften, den Bug zu sich heranzuziehen und der Schleusenwärter hat ein Einsehen mit dem schwer kämpfenden Steuermann (nicht John Maynard –dessen Brigg ja bekanntlich falsch steuerte),  fängt dessen gekonnt zugeworfenes Seil, sodass wir schließlich doch noch an die Schleusenwand zu liegen kommen. Da auch im Zirkus besonders schwere Kunststücke erst mal mit einem Spannung steigernden Fehlversuch beginnen, hatten wir offensichtlich die gespannte Aufmerksamkeit des versammelten Publikums bei uns und bei der Ausfahrt aus der Schleuse brandete Applaus auf wie im Malle-Flieger nach glücklicher Landung.
Da wir für diesen Tag eigentlich genug getan haben, fahren wir sturmumtost noch kleine 14  Kilometer bis zum idyllisch gelegenen Poilhes, von wo man – wie auch schon vorher vom Kanal aus – eine wunderbare Fernsicht auf Berge, zum Teil schneebedeckt, tieferliegende Dörfer, Schlösser, Türme und Weinstöcke hat. 

In Poilhes gibt es auch Strom und Wasser mit einer bis dahin uns unbekannten Preispolitik, gegen Einwurf eines 2 – Euro – Stückes spendet der Stromanschluss ganze 20 Minuten Strom, ein weiteres 2 - Euro – Stück soll dann 300 Liter Wasser geben, ha’m wir aber nicht ausprobiert.
Im Ort gibt’s zwei Restaurants (ha’m wir aber nicht ausprobiert) und eine Épicerie, in der es am nächsten Sonntagmorgen auch frisches Brot gab. Rabelais trägt mich schnell mit Rückensturmes Hilfe zurück nach Béziers, in einer Stunde bin ich mit Auto wieder zurück.

Trotz kräftigen Sonnenscheins ist leider kein gemütlicher Nachmittag auf dem Achterdeck möglich – so kräftig bläst der Wind. Aber man kann ja nicht alles haben.

Sonntag, 17.Mai
Poilhes – Capestang
Der Wind hat nachgelassen, die Sonne scheint vom blauen Midi-Himmel, was will man mehr. Um 11:00 Uhr machen wir die Leinen los, um nach gerade mal 5 Kilometer in Capestang (trotz des Gleichklangs nicht die Partnerstadt des Düsseldorfer Stadtteils  Kappes Ham) wieder anzulegen. Auch hier verläuft der Kanal an Bergeshang, lässt weit ins Land und auf das unterhalb des Kanals liegende Städtchen blicken, dessen Kathedrale St.Etienne 

die Landschaft überragt mit ihrem hohen gotischen Schiff, noch überragt von quadratischem Turm und sehr wehrhaft aussehend. Über seiner  Windfahne flattert die Trikolore, möglicherweise, weil der Turm noch andere als religiöse Aufgaben zu erfüllen hat, ab und an erschallen nämlich aus den dort angebrachten kräftigen Lautsprechern nach einer italienischen Wahlkampfmusik wichtige Ansagen von Bürgermeister- und Tourismusamt. Längs der Kanalufer sind hier viele Poller – und damit Anlegeplätze, versorgt von Strom, Wasser und zahlreichen WiFi-Antennen, alles inbegriffen im Liegegeld von 17 €.
Das Auto hole ich bei so einer kurzen Entfernung binnen ½ Stunde per Fahrrad nach nicht ohne wadenstark auch den steilen Anstieg zum Kanal in Poilhes ohne Absteigen zu bewältigen.
Abends schlendern wir durch den Ort und besichtigen selbstverständlich auch die Kathedrale. Anschließend gute Pizza vom Holzkohlenfeuer.

Montag, 18.Mai
Liegetag – Capestang
Da wir ja im Urlaub (wovon eigentlich?) sind und nicht auf der Flucht, der Liegeplatz sowie das Wetter angenehm, bleiben wir einen Tag, der dank zweier in der Capitainerie befindlicher Waschmaschinen für 2 x 10 Kg Wäsche waschen für je 6 € in nur einer Stunde genutzt wird, während der wir im örtlichen LIDL einkaufen. Die Maschinen haben ihre Aufgabe und vor allem das abschließende Schleudern bestens erledigt, die Wäsche trocknet in leichtem Wind und voller Sonne ebenfalls in kurzer Zeit. Das Barometer fällt und interessante Wolkenbildungen sorgen für schöne Abendstimmung. Des nachts ein kurzes Gewitter.

Nachbau eines Postschiffes wie sie Ende des 17.Jahrhunderts auf dem Canal de Midi verkehrten  - natürlich ohne Aussenbordmotor,, sondern von vierbeinigen PS getreidelt.


Dienstag, 19.Mai
Abfahrt und dann doch noch weiterer Liegetag in Capestang

Morgens grau und einige Tröpfchen, aber warm. Vor uns, noch in Capestang liegt die niedrigste Brücke des Midi-Kanals, wie die meisten alten Brücken mit einem Rundbogen, der hier aber sehr eng ist. 

Die Höhe in der Mitte beträgt 3,10, eigentlich ausreichend für unsere 3 Meter bis Oberkante Windschutzscheibe, aber an den Seiten gibt’s die Höhe wegen des Bogens nicht mehr, also müssen wir die Windschutzscheiben abbauen. Im Prinzip nicht schwierig, aber durch aufkommenden Regen etwas ungemütlich. Mast muss natürlich auch gelegt werden und die Fahne abgenommen. Trotz Regens legen wir also ab, meistern die Brücke, aber da uns Regen und Wind so ungemütlich entgegenkommen und hinter der Brücke auch noch Liegeplätze sind, beschliessen wir, für heute die Schifffahrt aufzugeben und erneut festzumachen. Wegen mangelnder Tiefe muss allerdings auch noch die Gangway/Abstandhalter montiert werden – bis alles wieder gerichtet ist, einschließlich Scheiben montieren und Bimini wieder aufrichten, vergeht eine knappe Stunde unter dem nervtötenden Lärm zweier motorbetriebener Sensen, deren Bediener gerade jetzt und hier die Böschung abmähen müssen. Dabei regnet es kräftig, das hätten wir einfacher haben können bei früherem Entschluss, uns dem Regenwetter zu beugen. Aber diese Abenteuer sind eben das Salz in der Suppe des Schifferlebens.


Mittwoch, 20.Mai
Capestang – le Somail
Zwar sonnig, aber kühl und starker Wind. Wie dem grünen Guide Michelin von 1974 von meinem Vater selig, natürlich auf französisch, zu entnehmen, ist das eine häufige Erscheinung bei feuchten Tiefdruckgebieten aus dem Atlantik (von Nordwesten), dass die Ausläufer in Richtung Mittelmeer sich an den Montagnes Noires (Haute Languedoc) abregnen und dabei zu kräftigen Winden entwickeln. Wir starten frohgemut (o.g. Michelin-Wissen haben wir uns erst später angelesen) ob des Sonnenscheins, aber des Windes wegen in dicken Jacken, die wir schon weggepackt  hatten. Des Nachts haben wir auch wieder die zusätzlichen Decken hervorgeholt. Jeder Angler unterwegs grüßt auch mit einem fröhlichen „Ca fait froid, n’est-ce pas?“
Nach drei Stunden und 22 KM schöner und kurvenreicher Fahrt mit weiten Aussichten

laufen wir in Le Somail ein, einem idyllischen kleinen Dörfchen, wo sich über den Kanal eine Bogenbrücke aus Riquets Zeiten (also Barock) spannt, flankiert von einer kleinen Kirche. 

Am Kanalufer steht noch das Gebäude der damaligen Postschiffe. Ja, so etwas gab es, die Schiffe, getreidelt von Pferden, förderten auch Passagiere. An jeder Schleuse stiegen die Passagiere aus, samt Gepäck liefen sie an der Schleuse vorbei auf das dahinter wartende nächste Postboot. So konnte die Strecke Toulouse – Sête den Chroniken zufolge in drei Tagen bewältigt werden.
Nicht so bei uns, wir machen hier um 13:30 die Leinen fest. Liegeld ist nicht zu bezahlen, es gibt allerdings weder Wasser und Strom. Außer an den Plätzen eines Mietbootunternehmens am Ende des Ortes.
Um 15:00 besteige ich das Postpferd, nein, Rabelais, nach Capestang zum Auto und bin 16:15 zurück. Gottseidank geht die Fahrt mit dem Mockick meist nach Osten, also mit dem Wind im Rücken, ein kurzes Stück von nicht mal einem Kilometer allerdings geht es gegen heftige Sturmböen an, was die 1,5 PS meiner schweren DiBlasi Maschine mit ihrem noch schwereren Reiter allerdings kaum schafft, genauso wie sie auch an den kleinsten Steigungen schon dolle schnauft.
In Le Somail gibt es einige Cafés und Restaurants, die heute aber auf uns verzichten müssen und eine Epicerie 

auf einer ausgedienten Peniche (ehemalige Berufsschiffe genau in den Maßen, nach denen ein Mr. Freycinet, französischer Verkehrsminister  im späten 19.Jahrhundert die meisten Schleusen bauen bzw. umbauen ließ: 33 m lang und 5 M breit). Das sehr gute Brot muß allerdings am Vortag bestellt werden. Verschiedenen Führern und einem Reklameschild im Ort zufolge gibt es auch ein gut sortiertes, umfangreiches Buchantiquariat, das wir aber nicht finden konnten – weil es wahrscheinlich aufgegeben wurde. Nicht ganz unwahrscheinlich, die Eigentümerin wurde schon in einem Führer Anfang der 80iger  (Hugh Mc Knight, "Frankreichs Flüsse und Kanäle", informativ und gut zu lesen, aber auf dem Stand der späten 70iger) erwähnt und das ist ja nun auch schon über 30 Jahre her. Dafür gibt es zwei Galerien mit schönen Bildern für Zahnarztpraxen.
Am späteren Nachmittag werden die Wolken dichter und es gibt ein paar kräftige Regenschauer. Der Wind hört deswegen noch lange nicht auf.

Donnerstag, 21.Mai
Le Somail – Argens-Minervois
Nach kühler Nacht sonnig mit einigen Wolken, aber weiter kühler Wind, der sich im Laufe des Tages zu einem veritabelen Sturm auswächst. Ohne den Wind wäre es eine sehr schöne Fahrt gewesen, so nur eine schöne. Bei starkem Wind ist auch ein 13-Tonnen-Stahlboot manchmal nur ein Segelboot und man muss schon etwas aufpassen bei engen Durchfahrten und Kurven. So war die Einfahrt in die erste Schleuse nach 54 Kilometern auch nicht ganz konfliktfrei zwischen Bordwand und Schleusentor. Ist aber nix passiert.
54 Kilometer ohne Schleuse, dazu habe ich noch nichts vermerkt: Der Kanalbaumeister (nicht Kanalmeister, wie ein gewisser früherer Kölner Kardinal von engen Verehrern genannt wurde) Riquet ist ja nicht nur deswegen so bedeutend, weil er die Idee hatte, Fürsten und König davon überzeugen und auch noch eigene Mittel für den Bau dieses Maßstäbe setzenden ersten Kanals mit Scheitelhaltung zur Verfügung stellen konnte, sondern weil er als erster entscheidende technische Lösungen (Schleusentreppen, Aquädukte) gefunden und/oder umgesetzt hatte und aufgrund profunder Ortskenntnisse eine Streckenführung fand, die heute wegen landschaftlicher Schönheit und großartiger Ausblicke, damals aber ökonomisch – möglichst geringe Schleusenzahl und geringstmöglicher Bauaufwand – überzeugte. Dazu auch architektonisch-ästhetisch gelungene Konstruktionen von Brücke, Aquädukten und anderen Bauwerken. 
klassische Midi-Brücke, rechts der Weg unter der Brücke war für die Treidelmannschaft - Pferd, Mann (oder Frau)
Aquädukt - der Kanal wird über einen Bach geführt

Eine seiner  Meisterleistungen war dabei das sogenannte Grand Bief, eine Strecke von 54 Kilometern längs der Berghänge, die keine Höhenunterschiede überwinden musste, und das sich von Béziers somit schleusenlos bis kurz vor unseren heutigen Zielort Argens-sur -Minervois  erstreckt.
Dort allerdings kam die Prüfung des Tages für den Schiffer, hier gibt es ein neben dem Kanal durch zwei rechtwinklig abzweigende schmale Zufahrten erreichbares Hafenbecken, heute Basis eines großen Mietbootunternehmens (Locaboat). 

An der an einem steilen Berghang hoch über dem Ort gelegenen Burg pfiff der heutige  Weststurm besonders scharf vorbei auf  dieses ihm völlig ungeschützt preisgegebene Gelände. 

Es war spannend, aber wir haben die Einfahrt gemeistert und das Boot sicher an einem Steg vertäut. Die Auto-Nachholaktion ging bei nur 15 Entfernungskilometern und Rückenwind für Rabelais in weniger als einer Stunde über die Bühne. Am späten Nachmittag kommt eine Leihbootmannschaft mit einem Riesenplastikkahn, der vom Wind nur so hin und her gesegelt wird, die tapfere südafrikanische Mannschaft unter ihrem unbeugsamen Kapitän bietet eine 30minütige Anlegevorführung ("Siehst Du die Brigg dort auf den Wellen? Sie steuert falsch..."), bis sie, auch dank meiner bescheidenen Hilfe (Tipps gegeben und Seile geschnappt) schließlich neben uns festmachen können. Sie trotzte dann auch später Sturm und Kälte und hat im Windschutz eines Sonnenschirms an Land gegrillt.
Liegegeld bei Locaboat 13,50 € incl. Wasser und Strom. Kneipe gibt’s am Hafen (wir haben aber brav an Bord gegessen) und im Ort eine Epicerie und Boulangerie.

Freitag, 22. Mai
Fast-Liegetag Argens, Ausflug nach Narbonne
Es ist immer noch stürmisch und frisch bei blauem Himmel. Da bei Locaboat heute Wechseltag ist, brauchen sie jeden Liegeplatz und wir müssen das Feld räumen. Wir hatten aber am Vorabend die Lage schon gepeilt, wollen heute nicht dem Sturm trotzen, fahren glücklich durch die schmale Ausfahrt auf den Kanal, unter einer Brücke hindurch und legen nach 300 Metern an einem Liegeplatz an mit frischen Pflöcken

(ohne Strom und Wasser, aber auch ohne Liegegeld) gottseidank etwas windgeschützt und so, dass die Schiffsnase genau gegen den Wind zeigt und damit wir hinter der so ihren namengebenden Zweck erfüllenden Windschutzscheibe die Sonne in leichter Sommerkleidung geniessen, während termingeplagte Leihbootfahrer in dicken Jacken an uns vorbei brausen. Nach ausreichendem Sonnenbad machen wir per Auto einen Ausflug nach Narbonne. 

(Könnte man auch per Schiff erreichen über den Seitenkanal Canal de jonction, der kurz vor Somail abzweigt, aber die 9 Schleusen auf 13 KM haben wir uns gespart).  


Samstag, 23.Mai
Argens – La Redourte
Sonnig, aber immer noch recht stürmisch.
noch eine klassische Canal-de-Midi-Brücke

Heute haben wir uns den Orden des Tierschutzes verdient: wir warten vor einer Dreierschleuse auf die Weiterfahrt, als eine Katze ungeniert und unaufgefordert unser Boot betritt. Wir verscheuchen sie, aber sie bleibt am Ufer ganz in der Nähe. Als die Schleuse sich für uns öffnet und wir gerade ablegen, sehen wir plötzlich die Katze neben dem Boot im Wasser schwimmen. 


Ja, Katzen können schwimmen, aber wie dem Gemauze zu entnehmen, höchst ungern. Mit Bootshaken bekommen wir die Katze nicht zu fassen, in der Schleuse angelangt, begreift das dumme Tier endlich, dass es bei gemauerten Kaimauern und steilen Schleusenwänden unserer Hilfe bedarf, schwimmt an das Heck und krallt sich an unsere Badeplattform, kommt aber nicht hoch. Nachdem der Schleusenwärter endlich begriffen hat, dass wir kein Problem mit der Schleuse und seiner mangelnden Hilfsbereitschaft haben, sondern mit der Katze 
(kleiner Einschub zur Hilfsbereitschaft: am Canal de Midi nehmen die Schleusenwärter grundsätzlich keine Seile an, die Poller können aber gern mal drei bis vier Meter über der Wasseroberfläche sein und damit auch von höheren Boote wie unserem unerreichbar oder nur mit schwierigem Bootshakengefummele. Aber das ist normalerweise dem Schleusenwärter egal, man erwartet, dass vor der Schleuse ein Mannschaftsmitglied abgesetzt wird, dass dann zu Fuß zur Schleuse geht und sich um die Seile kümmert, während der Schleusenwärter mit der hoch anstrengenden Tätigkeit des Knöpfchendrückens auf seinem kleinen Fernbedienungsgerät für die Schleusentore vollauf ausgelastet ist. 
Schleusenwärter bei der Arbeit

Bei den gewöhnlich sehr zahlreichen Charterbootmannschaften ist das noch gut zu leisten, aber bei einer ZweiMannFrauBesatzung schon schwieriger, ganz davon abgesehen, dass nicht immer vor der Schleuse Anlegeplätze sind, die auch für etwas über 20igjährige zum Aussteigen geeignet sind.)

Also, der Schleusenwärter bemerkt das Drama, ich klettere unter unserem Beiboot durch auf die Badeplattform, ergreife die nasse Katze am Genick, während der Eclusier inzwischen die Leiter in der Schleusenwand herabgeklettert ist und mir die Katze abnimmt. 
Nach diesem Abenteuer und weiteren Schleusen machen wir Halt in Homps. Wegen der Mittagspause der Capitainerie, in der es auch Adapter für die von uns in der Nähe von Paris schon einmal vorgefundenen merkwürdigen Stecker gäbe, die aussehen wie die üblichen EuroStecker an Sportboothäfen oder Campingplätzen, 
ebenfalls blau, aber einen etwas größeren Durchmesser haben, fast wie die roten DreiPhasenStecker wie sie auch Marktbeschicker für Starkstrom verwenden; wegen der Mittagspause also, fahre ich erst mal mit Rabelais zurück nach Argens, um das Auto zu  holen. Weil unser Liegeplatz nahezu ungeschützt dem Wind ausgesetzt war, bin ich gleich eine Station weiter nach La Redourte gefahren, gemessen an Homps paradiesisch, sonnig und windgeschützt. Mit Rabelais zurück nach Homps und unter leichtem Murren der Mannschaft und einer weiteren Schleuse dann nach La Redourte. Dort stellte sich die Situation nicht ganz so paradiesisch dar: am Steg keine Festmacher (?!), also die Leinen an diversen Schilderstangen befestigt. Dafür kostet es auch keine Liegegebühr. Strom und Wasser vorhanden, werden aber mit Münzen betrieben, die im 200 Meter weiter liegenden Automaten der ständig unbesetzten Capitainerie gezogen werden zum Preis von 2 Euro, wofür man entweder 30 Minuten Wasser bekommt (OK, das reicht für 400 liter Wasser) oder 30 Minuten Strom (reicht nicht für das Aufladen großer Batterien). Wir haben dann am nächsten Morgen vom Wassertanken  einer durchreisenden Mietbootmannschaft profitiert, die ihr 30- Minuten- Kontingent nicht ausgeschöpft hat und wir uns dann an diesen Wasserhahn gehängt haben. Eine Pizzeria befindet sich ebenfalls an der Anlegestelle, die ganz ordentlich aussah, wir haben aber an Bord gegessen.

Pfingstsonntag, 24.Mai
La Redourte- Marseillette
Immer noch ordentlich Wind, aber wärmer (20°).
Heute arbeiten wir uns durch drei Doppelschleusen, eine Dreierschleuse und - kurz vor unserem Ziel - noch eine "normale" Schleuse. 
Doppelschleuse in der Mittagspause

Dreifachschleuse beim Fluten der 2.Kammer
Von 10:30 bis 15:50, abzüglich eine Stunde Schleusenmittagspause immerhin ein viereinhalb-Stunden-Tag, der uns von KM 138,5 bis KM 127,5, also 11 KM weit gebracht hat. In Marseillette (ein Dörfchen an einem Hügel mit keiner erkennbaren Beziehung zu Marseille) gibt es relativ viele Anlegemöglichkeiten z.T. an neu angebrachten Pflöcken. Liegegeld wird nicht erhoben, Strom und Wasser gibt es nicht - soll aber in Planung sein. On verra.
Rabelais trägt mich tapfer über eine kräftige Steigung bergan und auch schnell bergab zum Auto in La Redourte. Eine knappe Stunde später bin ich wieder am Boot.

Pfingstmontag, 25. Mai
Marseillette – Trèbes
Die erste und letzte Schleuse des heutigen Tages ist die Dreifach-Schleusentreppe vor Trèbes, die wir gegen Mittag erreichen. Dort warten schon eine Menge Boote auf die Schleusung (es gehen immer so drei Boote in eine Schleusenkammer). Wir richten uns auf eine längere Wartezeit ein, aber bei der letzten Schleusung vor der Mittagspause (12:30 - 13:30) zeigt sich wundersamerweise, dass einige Boote gar nicht schleusen wollen, drei vor uns gehen mit und wir stehen auf einmal an Platz Eins. Der Schleusenwärter erscheint schon 5 Minuten vor halb zwei, macht die Tore auf, wir fahren ein, das hinter uns liegende Boot liegt noch in tiefem Mittagsschlaf, sodass wir ganz allein die drei Schleusen bewältigen, was das Verfahren erheblich vereinfacht. Der in der Karte nach der Schleusentreppe im Städtchen Trèbes angezeigte Hafen mit Strom, Wasser und WiFi entpuppt sich als die Station einer Charterfirma, bei der man nur mit dem Heck zum Ufer anlegen kann, für uns wegen Beiboot und Treppenkletterei nicht so günstig. Gegenüber finden wir am Kai des Städtchen Trèbes direkt vor einem Café einen freien Platz. Strom und Wasser gibt es hier nicht. Anders als auf dem Foto ist das Café und die rechts und links daneben befindlichen Restaurants bis auf den letzten Platz gefüllt, es ist schließlich Feiertag und Trèbes scheint ein beliebtes Ausflugsziel zu sein, außerdem finden irgendwelche wichtigen Meisterschaften auf dem nahe gelegenen Pétanque (Boule)-Platz statt. 

Großer Betrieb allüberall, kein Parkplatz frei, sodass für das staunende Publikum neben dem Anlegemanöver des "Gouden Eeuw" vor allem interessante Wendemanöver von Wohnmobilen und anderen Autokünstlern zu betrachten sind.
Nach wechselnd sonnigem Wetter zieht es sich aber nachmittag zu, wird kühl und grau und die Terrassenplätze leeren sich zusehends.
fast am Café-Stuhl festgemacht
Abends nutzen wir den kurzen Weg und besuchen das Fischrestaurant ("Poissonnerie moderne") 10 Meter weiter. Was da jetzt modern war, hat sich nicht erschlossen, das Essen jedenfalls war gut und zu moderaten Preisen.

Dienstag, 26.Mai
Trèbes – Carcassonne
graue Wolken, kühler Wind, 13°, 
warm bekleidetes Mannschaftsmitglied
nach Mittag klärt es sich auf und wird wärmer.
Ein paar Schleusen, vor Carcassone auch wieder mal im Dreierpack 

und schon sind wir vor der Schleuse und ihrer niedrigen Brücke im Stadtzentrum von Carcassone's Unterstadt, dort aber mit dem Problem konfrontiert, dass Mittagspause ist, der Steg links vor der Brücke mit Penichen komplett belegt und das Ufer für unser Schiff nicht genügend Tiefgang bietet, nach einigem Hin und Her ist schließlich ein Penichenbesetzer so freundlich, mich an seinem Boot anlegen zu lassen. Die Brücke sieht sehr niedrig aus, wir demontieren die Windschutzscheiben. So verbringen wir des Schleusenwärters Mittagspause, der dann aber - man höre und staune - sogar hilfsbereit Seile annimmt. Hinter der Schleuse liegt der Hafen, der von einem Mietbootunternehmen bewirtschaftet wird, und auch einige Plätze bietet, an denen man nicht mit dem Heck anlegen muss, sondern längsseits gehen kann. Wir erwischen noch einen Platz hinter einem Ausflugsboot, wo sich auch ein Stromkasten befindet, der aber belegt ist, am nächsten Tag wird eine Steckdose frei, sodass wir nach einigen stromlosen Tagen unsere Batterien wieder aufladen können. Liegegebühren heute ohne Strom und Wasser 12,40 €, am nächsten Tag mit Strom und Wasser 17,40 €.

Mittwoch, 27.Mai
Carcassonne – Liegetag
blauer Himmel, Wind schwächer, wärmer. Nach über einer Woche Frühstück wieder draussen auf dem Achterdeck. Ich gehe mutig zu einem am Vortag erspähten marokkanischem oder algerischem wahrscheinlich aber französischem Friseur, der auf meine Antwort hin, wie ich die Frisur gern hätte ("court") mit seiner Mähmaschine entschlossen ans Werk geht und ich befürchte, mit einer dieser Frisuren herauszukommen, wo der Schädel seitlich kahl rasiert wird und auf demselben nur noch so eine Art Skalplocke weht. Aber weit gefehlt, mir bisher unbekannte Schnittmethoden anwendend erarbeitet er in 15 Minuten eine sehr gute Kurzhaarfrisur für  lediglich 10 €.
Bei anderen Friseuren hatte ich auf unserer Reise schon Preise von 20 € und mehr gesehen. Solchermaßen verschönt, fährt meine Elke gern mit mir auf die die Stadt überragende "Cité", 

einem eindrucksvoll befestigten Hügel, die im 19.Jahrhundert von Mittelalterromantikern wieder restauriert wurde und heute ein Mekka ist für Touristen - gern laut- und angelsächsisch sprechend - und den Eindruck erweckt, dass mittelalterliche Festungsstädte hauptsächlich für Andenkenläden gebaut wurden.
Menschenleere Festungsstadt von Carcassone
Kleiner Laden für das Allernotwendigste
Nach diesen Eindrücken gehen wir erst mal in einen Riesen-Leclerque einkaufen und auf dem Schiff mit dort erworbenen Köstlichkeiten uns einen schönen Abend machen.

Donnerstag, 28.Mai
Carcassone – Villesequelande
Wunderbares Wetter, Sonne und kaum Wind
Nach drei Schleusen einschließlich einem "Dreier" kommen wir an ein idyllisches Plätzchen am Kanal und beschließen sofort, hier festzumachen. Kein Strom, kein Wasser, aber schöne, schattenspendende Bäume (ja, findet man jetzt wieder gut) eine schöne Aussicht und ruhig. 

Also Wasser gibt es schon, aber aus in Frankreich öfter vorkommenden Wasserhähnen mit einem Druckknopf und einem runden gewindelosen Hahn, der nur für eine kurze Zeit von 1 - 2 Minuten Wasser spendet. Aber erstens haben wir morgens gerade Wasser getankt und zweitens - sind wir gut ausgerüstet. Davon später...
Wir machen einen Spaziergang ins Dorf, wo wir eine für uns passende Straße finden, 


eine 400jährige Ulme, 

und eine Kirche mit einem transportabelen Halteverbotsschild für Gottesdienste.

Abends kommen zwei junge Familien ans Ufer gegenüber, die Frauen quatschen, die Männer angeln oder fahren mit merkwürdigen Gefährten



Freitag, 29. Mai
Villesequelande – Liegetag
Und weil's so schön hier ist, bleiben wir noch einen Tag und ich hole kurz das Auto nach, was das morgendliche Baguette-holen aus dem knapp 2 Kilometer entfernten Dorfladen etwas erleichtert. Gestern bin ich mit dem Rad dorthin gefahren - schnell den Berg runter (ja, der Kanal liegt hoch über dem Dorf) und etwas langsamer zurück wieder hinauf. 
Abendstimmung

Abends ist eine ganze Schar von Nutrias, auch Biberratten genannt, (http://de.wikipedia.org/wiki/Nutria )zu sehen, die keine große Scheu an den Tag legen und eine mich am Ufer bis auf wenige Meter herankommen und ungestört blitzen ließ.
weiße Nutria


Samstag, 30. Mai
Villesquelande - Bram
Blauer Himmel mit weißen Wolken. 
Morgens Wassertanken aus dem oben erwähnten Wasserhahn, dessen Knopf durch ein Gurtband gedrückt gehalten wird und an dessen gewindelosen Hahn ich ein sinnreiches Schlauchverbindungsstück aus dem Hause Gardena angebracht habe, eine Kupplung, die über die Hahnöffnung geschoben und mit einer schraubbaren Quetschklemme fixiert wird.Nach anderthalb Stunden und einer Schleuse erreichen wir Bram, oder besser, den Port de Bram, denn das Städtchen liegt knapp 2 Kilometer vom Kanal entfernt. 

Der Hafen wird von einer kleinen Charterbootfirma verwaltet, Liegegebühren werden nicht verlangt, für Strom und Wasser fallen jeweils 5 € an und das Wifi-Passwort habe ich für 2 € bekommen. Vor dem alten Kanalwärterhäuschen ist ein Restaurant, das sehr gute, hauptsächlich Fischgerichte bietet, die wir uns am Abend auch gegönnt haben.


Sonntag, 31.Mai
Erzwungener Liegetag Bram
Das Wetter ist bestens, wir sind früh aufgestanden, um gleich um 09:00, wenn die nicht weit entfernte Schleuse öffnet, an Ort und Stelle zu sein. Nach dem Frühstück, dem Wassertanken und dem Einziehen des Stromkabels, drehe ich den Zündschlüssel, starte den Motor, der brav anspringt, will etwas Gas geben und... nichts. Nach der Demontage des Gashebels stellt sich heraus: Gaszug gebrochen. 

Es ist Sonntag, der Monteur des Charterunternehmens kommt heute nicht und morgen erst gegen Mittag. Also bleiben wir liegen, ich konsultiere meinen amerikanischen Wälzer (Nigel Calder’s Buch ‚Boatowner’s Mechanical and Electrical Manual’) und stelle fest, was ich schon geahnt hatte: am Gaszug ist nix zu reparieren.
Dann machen wir halt einen Ausflug in die Montagnes Noires, an deren Höhenzug wir schon eine ganze Weile entlangfahren und über die der kalte Wind gepfiffen kam, und geniessen dort die frische Luft und die tolle Fernsicht bis hin zu den Pyrenäen.


Montag, 01.Juni
Liegetag Bram
Weiter schönstes Wetter.
Der Mechaniker kommt wie angekündigt "au fin du matin" (also halb zwölf), bestätigt meine Analyse und bestellt für mich das entsprechende Ersatzteil für 50 € inkl. Frachtkosten, das wahrscheinlich am nächsten Tag mittags bei ihm zu Hause mit der Post ankommt. Er wird am Dienstag nicht zum Hafen kommen, will mich aber anrufen, wenn das Teil da ist, das ich dann mit dem Auto abholen kann.   

Dienstag, 02. Juni
Liegetag Bram
Wie angekündigt, kommt der Gaszug mittags per Post beim Mechaniker an, ich hole das Teil per Auto bei ihm zu Hause ab (90 KM hin und zurück), bekomme noch sechs sehr große Eier von seinen Hühnern geschenkt und baue den Gaszug ein (nicht sehr schwierig: 1 Stunde).

Mittwoch 03.Juni
Bram - Castelnaudary
Schönes Wetter, aber zunehmend heiß.
Wie am Sonntag schon geplant, brechen wir früh auf und sind um 09:00 Uhr in der Schleuse zusammen mit einem englischen Ehepaar mit ihrem Boot "Rosalie". Über viele Schleusen, darunter Doppel-, Dreifach- und eine Vierfachschleuse 


gelangen wir gut, aber verschwitzt gegen 14:30 in den sehr hübschen Ort Castelnaudary. Gut, wenn man davon absieht, dass ich bei einem Anlegemanöver vor einer Schleuse nicht nur Grundberührung hatte, sondern mit unseren 1,20 m Tiefgang wie auf einer Buckelpiste mindestens 20 Meter über den Grund geholpert bin, merkwürdigerweise ohne mich festzufahren, bis ich wieder in die Fahrrinne kam. Der Schleusenwärter, die ja immer wollen, dass vor der Schleuse der "copilot" abgesetzt wird zum Seile annehmen, meinte lakonisch, dass jetzt etwas wenig Wasser im Kanal sei, da einerseits wegen der Trockenheit viele Bauern viel Wasser aus dem Kanal zum Bewässern ihrer Felder bräuchten, andererseits sie gestern "Wasser nach Carcassonne schicken mussten". Dabei wird immer in allen Publikationen, auch des VNF (Voie Navigable de France, Verwaltungsbehörde der Kanäle) eine Wassertiefe von 1,60 Metern garantiert. Na ja, et hätt noch immer joot jejange.
See von Castelnaudary

Nach der Schleuse gelangt man in einen See (Grand Bassin), der zur Speisung der vielen heute von uns gemeisterten Schleusen dient (heute aber wohl nicht so sehr) und an dessen Ufer eine Charterstation liegt, die aber keine Liegeplätze für fremde Boote bietet. Dann durchfährt man eine Brücke und gelangt in den Hafen, der von der Stadt Castelnaudary durch eine nette Capitaine du Port verwaltet wird. Es gibt Säulen für Strom und Wasser und für 11 € für den ersten Tag und für 9 € für weitere Tage gibt es eine Chipkarte, die Strom und Wasser fließen läßt und auch für 2 mal Duschen am Tag in der Hafenmeisterei.
Das Auto habe ich noch am Nachmittag geholt, u.a. weil der Fahrtwind auf Rabelais etwas Kühlung brachte, wahrend ich auf dem für Motorfahrzeuge verbotenen ehemaligen Treidelpfaden lang getuckert bin. Prompt mißfiel das auch einem Schleusenwärter, dessen Winken ich souverän mißachtet habe (schaut ihr mal, dass ihr genug Wasser im Kanal habt...). Der hat seine Kollegin an der folgenden Schleuse benachrichtigt, die sich mir dann resolut und todesmutig in den Weg stellte, sodass ich anhalten musste. Für "motos" sei das hier verboten, auch mein charmant vorgebrachtes "ce n'est pas vraiment un moto" hat sie nicht erweicht, ich musste also den Weg zur Straße nehmen, auf der mein "moto" vom Fahrtwind der LKWs wie ein Staubkorn auf der Milchstraße verweht wurde. Beim Einpacken bemerke ich, dass das Hinterrad von Rabelais nur noch auf einer Seite von einer Schraube gehalten wird, die auf der anderen Seite muss ich irgendwo und -wie verloren haben. Noch mal "et hätt noch immer joot jejange".
Endlich kühl am Abend sitzen wir auf dem Achterdeck, als ein lautes Klappern und Krachen hochschreckt, gefolgt von einer großen Staubwolke, kurz darauf Tatüütataa, am Eingang zum Hafen ist ein Dach an einem alten Mühlenturm heruntergekracht, beleuchtet von Blaulicht und tollem Vollmond 

stehen die Schaulustigen herum. Aber es ist nichts wirklich Ernsthaftes passiert und niemand zu Schaden gekommen. "Et hätt noch immer joot jejange!"
eingestürztes Dach



Donnerstag, 04.Juni
Liegetag Castelnaudary
Blauer Himmel und richtig heiß, 34°
Drei große weiße Tücher (ca. 3x2m) an Bimini, Salondach und Windschutzscheibe geben etwas Schatten, aber der und teils kräftiger aufbrisender Wind aus SüdOst (das ist jetzt das Gegenteil zum Tramonte, dem kalten Nordwestwind) bringen nicht allzuviel Kühlung. Ich fahre zum Einkaufen vor die Stadt zu einem Intermarchée und mache mich auf die Suche nach einem Fahrrad- oder MoFa-Laden, um die fehlende Schraube für das Rabelais-Hinterrad aufzutreiben, und merke, dass im Auto die Klimaanlage nicht richtig kühlt, sich aber dann doch berappelt. Ein Peugeot-Laden (Peugeot baut auch Fahrräder und Mofas/Vespas) um die Ecke mit einem hundertjährigen Besitzer, der noch alle Zweiradmodelle persönlich erlebt hat, kramt aus seinen unergründlichen Beständen die passende Schraube, nach 2 € und 5 Minuten Basteln ist Rabelais wieder startbereit. Aber die Klimaanlage..??!!
Wir haben überlegt, hier in Castelnaudary unsere Fahrt zu beenden. Bis Toulouse sind es noch einige Schleusen und 70 KM, auf der Fahrt zu meinem Gaszuglieferanten bin ich den größten Teil der Strecke schon mit dem Auto gefahren und außer dem eindrucksvollem Obelisk am Scheitelpunkt des Kanals zu Ehren von Riquet, seinem Erbauer, ändert sich die Landschaft nicht großartig. Andererseits ist Castelnaudary ein schöner Ort, um das Boot liegen zu lassen. Das hatten wir von Anfang an vor, unsere Fahrt bis Ende Juni zu beenden und unser Boot an einem schönen Platz am Canal de Midi bis Anfang September liegen zu lassen und dann im Herbst noch ein wenig Südfrankreich zu geniessen. Wir liebäugeln mit einem Kai am Grand Bassin, das Gelände wird vom dort befindlichen VNF verwaltet, zu dem wir heute kurz vor Mittag hingepilgert sind. Man war aber in Eile wegen der bevorstehenden, den Franzosen heiligen Mittagspause und wir sollten doch morgen noch mal nachfragen, er würde seinen Kollegen informieren und der könnte uns bei den notwendigen Antragsformalien helfen. 

Hafen von Castelnaudary

Im Hafenbecken selbst können wir das Boot nicht liegen lassen, jedenfalls nur bis zum 26. August, dann muß dort und im Grand Bassin alles geräumt werden wegen der großen "Fête du Cassoulet". Der Cassoulet de Castelnaudary ist ein Eintopfgericht, dass die Einwohner in einer großen Solidaritätsaktion während einer lang andauernden Belagerung erfunden haben wollen und das heute in allen Restaurants der Stadt angeboten wird. Jedenfalls ist dann Rambazamba auf den Gewässern und die Schiffe müssen weg. Außerdem fallen im Hafenbecken dann Kosten von 74 € die Woche an. Wenn wir aus dem Hafenbecken heraus noch ein kurzes Stück weiter fahren, dort könnten wir unser Boot kostenfrei liegen lassen und bis hierhin reichen die Feierlichkeiten zum Cassoulet nicht. Na gut, wir könnten ja auch schon am 25. August anreisen und das Boot aus der Feierzone bringen. Warten wir mal morgen die VNF-Aussagen ab.

Freitag, 05.Juni
Liegetag Castelnaudary
heiß, 34°
Wir gehen zum VNF, aber dem freundlichen Mann dort fällt ein, dass ja auch zum 14.Juli, dem zu Ehren von Elkes Geburtstag von den Franzosen begangenenen Nationalfeiertag, großes Feuerwerk am Grand Bassin ist und auch jede Menge Mensch auf den Beinen. Er rät uns von diesem Liegeplatz ab und da müssen wir ihm zustimmen, also bleibt das Stück am Kanal hinter dem Hafen. Dort ist auch gut liegen, es gibt sogar Festmacher und die Hafenmeisterin sagt, dass da noch nie etwas passiert sei. Also beschliessen wir, morgen das Boot dahin zu verlegen. 
Nachmittags Auto-Ausflug zum Scheitelpunkt des Kanals. 
Hier irgendwo ist der Naurouze-Pass, Scheitelpunkt des Kanals
Die Klimaanlage streikt immer heftiger. Abends Einladung zu einem Drink bei der Mannschaft von "Rosalie". David gibt uns die Nummer von "Stephanie", einer englischsprachigen Mitarbeiterin des VNF, die möglicherweise einen Dauerliegeplatz am Canal de Midi (für den Winter) vermitteln kann.

Samstag, 06.Juni
Verlegung Schiff an anderen (Dauer-)liegeplatz in Castelnaudary, Abfahrt per Auto nach Lattes (Vorort Montpellier)
Weiter sehr heiß.
Im Kanal Richtung Toulouse gleich hinter der Brücke des Hafens von Castelnaudary finden wir einen freien Platz, der sogar über Festmacher verfügt und einen Teil des Tages auch im Schatten liegt.

Also: Schiff verlegt und für die Zeit unserer Abwesenheit eingerichtet: altes Verdeck aufbauen, Fahrräder und Rabelais auf das Achterdeck, abschliessen und anketten, Lebensmittel und Klamotten verpacken und ausräumen. Batterien abklemmen. Natürlich haben wir dann noch jede Menge vergessen (Jacken, Hosen), aber in zweieinhalb Monaten wollen wir ja wieder da sein.
Um 16:00  haben wir alles soweit erledigt, verabschieden uns von unseren Engländern und fahren via Autobahn nach Lattes, einem Vorort von Montpellier, wo es auch einen schönen Hafen gibt, fünf Kilometer vom Canal de Rhone a Sete. Vielleicht ja eine Möglichkeit für einen WinterliegeplatzMerkwürdigerweise tut die Klimaanlage klaglos ihren Dienst.
Wir finden auch den Hafen in Lattes, aber es ist schon fast 19:00 Uhr, zur Besichtigung müssten wir aussteigen (Hitze!) und morgen ist ja auch noch ein Tag, jetzt erst mal ein Hotel suchen. Das Navi zeigt eins in der Nähe, wir fahren dorthin und befinden uns gleich in einer "Zone Hôteliére", halten vor einem der dort befindlichen vier, gehen hinein und ..... complet, besetzt. Wir wieder ins Auto, ich drehe den Schlüssel und ... der Anlasser gibt nur gequält absterbende Geräusche. Batterie! Wieso, sind doch gerade mehrere Stunden gefahren? Also zu Fuß die 200 Meter zum "Formule F1" Hotel, Zimmer? Ja, frei. Gut. Frage des Rezeptionisten, ob wir "F1"-Hotels kennen? Nein. Ja, das wäre nämlich so, Bad und Klo sei nicht im Zimmer, sondern auf dem Flur. Wir verdrehen die Augen und mir fällt die Geschichte des tollen "Hotel Stadt Hamburg" in Troisdorf ein, wo ich beruflich Zimmer für Künstler gesucht habe und der Hotelier den Mangel an Bad und Toilette auf dem Zimmer mit den Worten erläuterte "Bei uns herrscht das Prinzip der warmen Brille." 
Unsere verzweifelten, hitzegeschwächten Blicke und unser Problem mit dem "Voiture en panne" richtig deutend, sagt der "F1" Rezeptionist, gegenüber sei das "IBIS Budget", die hätten vielleicht noch was. Er geht mit besonderer Schlüsselgewalt eine hitzeschonende Kurzverbindung zum IBIS wählend mit und siehe da, es gibt noch ein Zimmer mit Bad und Toilette und Klimaanlage für 50 €, das wir blind buchen, während ich schon mal den ADAC anrufe. Der meldet sich auch prompt und kompetent und auf deutsch, der Pannendienst sei in einer halben Stunde da. Da hatten wir dann genügend Zeit unser Zimmer von der Kargheit einer Zelle zu studieren.

Ibiszelle mit Schläferin

Die Geschichte, dass ich vor dem Eintreffen des Pannendienstes nochmal zum Auto zum Kofferholen bin, das Auto auf einmal wieder ansprang, der afrikanische "Depannage"-Mensch meinte, dass ja dann alles OK sei und bei seiner telefonischen Rückversicherung beim "Chef" dieser mittels Ferndiagnose mitteilte, dass an der Batterie nichts sei und alles völlig normal und der afrikanische Depannage-Spezialist mehr Zeit mit dem Ausfüllen des von mir zu unterschreibenden Depannage-Berichtes brauchte, will ich jetzt nicht in allen Einzelheiten schildern, aber - o Wunder - seither (und ich schreibe das in einem Abstand von mehr als 14 Tagen zu Hause in Wiesmoor) hat die Batterie nicht mehr geschwächelt. Vielleicht ein Voodoo-Zauber.

Sonntag, 07. Juni
Lattes - Clermont-Ferrand
Blauer Himmel, in den Bergen etwas kühler (26°)
In Zelle 11 haben wir ganz gut geschlafen, das Frühstück - na ja...
Erst mal zum Port de Lattes, dort treffen wir den Hafenmeister trotz eigentlich sonntäglicher Schließung. Der macht uns wenig Hoffnung auf einen Liegeplatz, aber wir sollten auf jeden Fall uns per e-mail bewerben, man wisse ja nie...
Aber da man auch sonst nicht alles haben kann, streikt die Klimaanlage jetzt die ganze, recht wärmliche Fahrt ins Zentralmassiv nach Clermont-Ferrand, die landschaftlich wunderbar und auf der Autobahn mit Ausnahme einer Brückenüberquerung (Viaduc de Millau, führt über den Tarn. Es wurde von Norman Foster gestalterisch ausgearbeitet. Das Viadukt ist mit 2460 m die längste Schrägseilbrücke der Welt und bei einer maximalen Pfeilerhöhe von 343 m das höchste Bauwerk Frankreichs) auch völlig mautfrei ist. Eine gute Alternative zur Standardstrecke des Spanien- oder Südfrankreichreisenden über Avignon, Lyon usw. Heute belohnen wir uns mit dem Hotel "Royal St.Mart"

das in einem Gründerzeit- und Kurvorort von Clermont-Ferrand mit beeindruckend scheusslichen Prachtbauten liegt

und eine ganze Reihe allein speisender Damen beherbergt, die wohl noch aus dieser Zeit stammen. Wir gönnen uns die gegenüber dem Standardzimmer erheblich geräumigere Klasse 
Grand Chambre avec dormeuse

und ein sehr gutes Menu. Am Abend wird die etwas betuliche Szenerie noch etwas aufgemischt vom Brummen der Motoren der Teilnehmer einer Oldtimerrally (alles nur englische Triumph vom TR3 - berühmter Fahrer in "Lieben Sie Brahms":Anthony Perkins - bis TR6)
Triumph TR 5, TR 4 und TR 3


Montag, 08. Juni
Clermont-Ferrand - Orléans
blauer Himmel
Mit Hilfe von ADAC und der freundlichen Rezeption des Hotels bekommen wir einen Termin in einer Werkstatt, die nach unserer Klimaanlage schaut. (Vielleicht ist es ja nur ein Elektronikfehler?). Nach einer Stunde mit Prüfung der Füllung der Klimaanlage und elektronischen Geräten: wahrscheinlich der Kompressor, kann man aber jetzt nicht reparieren, Teil müsste erst bestellt und geliefert werden. Na denn, fahren wir also gut gewärmt weiter. (Wie hat man das eigentlich früher gemacht? Als es noch keine Klimaanlagen in mitteleuropäischen Autos gab? Also bis vor gut 25 Jahren? Aber da hat uns die Zugluft aus weit geöffneten Fenstern wohl noch nicht gestört).
Tja, und dann hatte unser liebes Auto bzw. seine Klimaanlage ein Einsehen, wir überfahren eine kleine Bodenwelle und plötzlich kommt wieder angenehm kühle Luft aus den dafür bestimmten Öffnungen und das hält an bis Orléans, 
Orleans Kathedrale hinter moderner Straßenbahn mit Bodenstromversorgung
unserem heutigen Etappenziel, wo wir uns ein wunderbar am Ufer des Loiret (Seitenfluß der Loire) gelegenes Hotel ("Le Rivage") aussuchen mit gutem (auch nicht ganz billigem) Restaurant, auf dessen am Fluss gelegener Terrasse wir den lieben Gott einen guten Mann sein lassen und ertragen dabei locker den nervig von Tisch zu Tisch sich herablassenden hundertjährigen "Maître Jean Louis Berault" (oder so ähnlich) dessen "Equipage" allerdings ordentlich kocht und aufmerksam serviert.
Hotelterrasse am Ufer des Loiret

Hotelbenutzer

Der Loiret

Dienstag, 09.Juni
Orléans - Wiesmoor
Grau und kühl
Heute die letzte Etappe, und die Klimaanlage denkt mit, es ist nämlich zu kalt, um zu kühlen und so fahren wir völlig ungekühlt bei im Auto angenehmen Temperaturen (außen 16°) die letzten 870 Kilometer nach Hause, fahren auf Anraten unseres TomTom teils mitten durch Paris und sparen dabei - behauptet das Navi jedenfalls - 55 Minuten. Sind bald darauf in Belgien, wundern uns über Vorkassentankstellen und sind trotz eines kleinen Stauhaltes in Holland in den vorher berechneten 8 Stunden und 30 Minuten gegen 18:30 heil in Wiesmoor gelandet.


Ende

Es folgt hier demnächst eine Zusammenstellung der gefahrenen Schiffskilometer, Maschinenstunden, Spritverbrauch, etc.