Berichte von Till Friedrich mit etwas Rücksicht auf nicht mit der Sportschifffahrt Vertraute. Kenntnisreichere Leser mögen über einige Erläuterungen auf Klippschul-Niveau für Nicht-Schiffer hinwegsehen.

Mittwoch, 30. September 2015

Frankreich 2016 - Teil 3: Zürück über den Canal de deux mers – Garonne Kanal, wieder in den Canal du Midi

Montag, 02.05. Buzet – Agent
Heute wollen wir uns das Auto–nachholen einfacher machen, ich fahre mit dem Boot, Elke fährt mit dem Auto, kommt aber jeweils zur Doppelschleuse gleich nach Buzet und dann zur Vierer-Treppe hinauf zur Kanalbrücke über die Garonne bei Agen und hilft beim Schleusen. Denn nun geht es wieder aufwärts, das heißt, man fährt in die Schleuse ein, macht fest und braucht dann jemand, der zumindest oben auf den besagten grünen Knopf drückt, um der Schleusenautomatik mitzuteilen, dass es nun losgehen kann mit der Schleuserei. Dieser Jemand ist im Normalfall vor der Schleuse an Land abgesetzt worden, oder klettert in der Schleuse die meist schlammig-feuchte Leiter hoch.
Die Auto-Assistentin kommt da gerade recht, weil sie schon an der Schleuse wartet (wenn sie denn die Zuwegung gefunden hat, was wirklich nicht einfach ist), die Seile entgegen nehmen kann und – wie gesagt – auf den Knopf zum Schleusen drücken kann. 
So erreichen wir bei schönem Wetter wieder Agent.


Dienstag, 03.05. Liegetag in Agen
Die Nacht von Montag auf Dienstag hat „Montezumas Rache“ auch Elke erwischt, die halbe Nacht statt im Bett in den Räumlichkeiten, die der Franzose euphemistisch „salle de bain“ nennt, die auf unserem Schiff aber weniger als 1 qm groß sind. Der nächste Tag sieht sie hauptsächlich schlafend, nachdem ich in der Apotheke einige Mittelchen besorgt habe und dazu im Carrefour City Salzstangen, Cola und Zwieback. Mir tun der Ruhetag und die Mittel gegen Brechen und Durchfall auch ganz gut, denn so ganz gut isset mir auch noch nich. Das Wetter ist nach anfänglicher Gräue ab Mittag sonnig und warm.

Mittwoch, 04.05. Agen -Moissac
Bestes Mützenwetter, wie meine Mutter zu sagen pflegte, den ganzen Tag Sonne, dazu eine leichte kühlende Brise begleiten einen – für unsere Verhältnisse - langen Tag. Von 10:25 bis 17:15 haben wir 8 Schleusen und 42 KM bewältigt. 
Hafen Moissac
In Moissac gibt es einen fest in englischer Hand befindlichen Hafen und eine Doppelschleuse hinunter zum Tarn, der hier auf ungefähr 12 KM schiffbar ist bis zum Stausee vor der Ableitung des Kühlwasserkanals für das Atomkraftwerk bei Golftech, 
Atomkraftwerk bei Golftech
das wir auf unserer Fahrt rechts haben liegen lassen. Moissac selbst ist ein Städtchen mit allen möglichen Geschäften, einem großen Platz mit Markthalle aus dem 19. Jahrhundert, aber vor allem einer beeindruckenden Kirche St.Pierre mit einem der bedeutendsten romanischen Portale 
romanisches Portal St.Pierre in Moissac
und ebensolchem Kreuzgang des früheren Klosters. Auch dies eine Station auf einem der Pilgerwege nach Santiago die Compostella mit entsprechenden Herbergen und einigem Touristenauflauf, besonders am folgenden Himmelfahrtstag.

Donnerstag, 05.05. (Vatertag) Moissac – St.Porquier
Wunderbarer blauer Himmel, leichte Brise, was will der Schiffer mehr. Erst geht’s zur Tankstelle im Hafen mit den bisher fairsten Preisen zwischen Agde und Bordeaux. Wir tanken 107 Liter à 1,25 €, seit Toulouse haben wir 210 KM und 34 Stunden hinter uns gebracht und bestimmt 50 Stunden Diesel-Heizung mit unserer Eberspächer. Wir finden, das das ein relativ niedriger Verbrauch ist.
Gleich nach Moissac führen drei Schleusen hinauf zur Kanalbrücke über den Tarn und dann noch einmal drei Schleusen bis Castelsarrasin, vor der letzten löst sich allerdings vor uns ein größerer Kahn (Schiff würde ich dieses ursprünglich für die Vermietung gedachte Konstrukt aus viel Eisen nicht nennen) vom Ufer und wir müssen gemeinsam in die Schleuse. An sich nicht schlimm, aber dann tuckern diese liebenswerten Menschen sehr gemütlich vor uns an Castelsarrasin vorbei und legen nicht wie erhofft an. Hinter denen her? Nein, da bleiben wir lieber anders als geplant im an sich schönen Hafen und Ort Castelsarrasin. Mais, hélàs, aber, leider...haben französische Kommunalverwaltungen-in der wärmerem Jahreszeit besonders, und am Wochende im Anschluss an Himmelfahrt (heute) schon gar- einen an sich lobenswerten Hang zur Kultur. Hatten wir vor 14 Tagen an diesem Platz den Genuss, eine Kirmes nicht nur optisch, sondern vor allem auch akkustisch erleben zu dürfen, war diesmal am Ufer gegenüber dem Hafen ein Zirkuszelt aufgebaut, aus dem alsbald mörderisch verstärkte Bässe erklangen, die Vorboten eines Konzertes am Abend im Rahmen einiger „Tage des Chansons in Castelnaudary“. Wie sagt schon Busch? „Musik wird störend oft empfunden, dieweil sie mit Geräusch verbunden“. Dies, in Verbindung mit einem System des Strom- und Wasseranschlusses, das nur durch die Capitainerie (fermée en jours de fête) in Gang gesetzt werden kann, bewog uns nach einer einstündigen Pause weiterzufahren. Just als wir die Seile loswerfen, fährt eine Hotelpéniche in unsere Richtung. Also wieder „Leinen fest“ und eine halbe Stunde warten, denn die Schleusen können wir nicht gemeinsam mit einem Schiff dieser Größe machen. Dann fahren wir aber endlich weiter, um nach zwei weiteren Schleusen und 7 KM am kleinen Anlegeplatz bei St. Porquier festzumachen. Kein Strom, kein Wasser, brauchen wir aber nicht. Dafür ruhig und nicht allzu weit zum Örtchen, wo es einem kenntnisreichen anderen Anleger zufolge (übrigens mit dem Kahn, weswegen wir erst in Castelsarrasin bleiben wollten) auch einen kleinen Lebensmittelladen mit einem Dépot de Pain (also frischem Brot, das der Bäcker dorthin liefert) gibt. - Schöner warmer Abend mit Abendbrot an Deck.

Freitag, 06.05., St.Porquier – Dieupentale
Morgens blauer Himmel mit einigen Streifenwolken. Rabelais kurz von Bord gehievt und in den Ort, frisches Baguette zum Frühstück und die obligatorischen Croissants gekauft, die wir immer nach dem Anlegen am Nachmittag verzehren. Leinen los um 10:15, unserer üblichen Startzeit, und nach zwei „normalen“ Schleusen erreichen wir die Schleusenkette mit fünf Schleusen, die hoch zum Ort Montech bringen, von dem ein Stichkanal nach Montauban führt. (sh. Eintragungen zum 22. und 23.04.) Das haben wir um 11:45 geschafft und fahren noch ein Stück mit einer weiteren Schleuse bis zum kleinen Örtchen Dieupental. Inzwischen hat es sich zugezogen und nach ein paar Regentropfen hellt es sich zwar wieder auf, der Sonnenschein wird aber mit immer kräftigerem Wind aus Ost bezahlt. Hier in Dieupentale nun ist die definitiv niedrigste Brücke über den Kanal, schräg abfallend mit seitlich versetztem Bogen. 
Brücke in Dieupentale

Kein Problem, denkt der Skipper, peilt über den Mast, ein Zentimeter Luft ist ja noch, aber durch die äußerst langsame Fahrt versetzt der Wind das Schiff, das Verdeck kommt in Kontakt mit dem Brückenbogen auf der einen Seite, die Antenne am Mast mit dem Bogen auf der anderen Seite, rückwärts kann die Situation zwar gerettet werden, aber um den Preis einer gebrochenen Kunststoffummantelung der Wifi-Antenne. Rückwärts zum vor der Brücke gelegenen Anleger, wo wir um 13:30 für heute festmachen. Das Verdeck können wir ja auch noch morgen abbauen. Die Antenne läßt sich wieder kleben, et hätt mal widder joot jejange…

Samstag, 07.05., Dieupentale – Toulouse
Eine lange Fahrt mit einigen Schleusen wartet auf uns, daher haben wir beschlossen, gegen unsere Gewohnheit etwas früher aufzustehen (07:00) und ungefrühstückt loszufahren. Ich hole schnell mit dem Fahrrad vom Bäcker ein Baguette und (richtig) zwei Croissants, dann das Verdeck abgebaut, bzw. umgeklappt, während Elke schon mal den Kaffee und die Frühstückseier kocht, dann los um 08:15 bei blauem Himmel mit einigen Streifenwolken und Blick bis auf die schneebedeckten Pyrenäen für eine Strecke von 8 KM bis zur nächsten Schleuse, nach deren Bewältigung wir oberhalb am Wartesteiger anlegen und frühstücken. Dabei brist es immer mehr auf und das Frühstück endet geradezu sturmumtost. Acht weitere Schleusen auf dem Garonne-Kanal bis Toulouse, dann biegen wir wieder in den Canal du Midi ein, meistern drei weitere zum Teil recht hohe Schleusen und kommen nach 6:45 Stunden Fahrtzeit gegen 15:30 am Hafen St.Saveur an, wo uns der heilige Saveur (wofür der sonst immer zuständig sein mag) beim Anlegen im Sturm zwar vor dem Schlimmsten vor allem dank der wirklich kompetenten Hafenmeisterin bewahrt, aber wir haben ein Problem, etwas sitzt in bzw. vor der Schraube und bewirkt, dass das Rückwärtslaufen der Schraube wirkungslos ist … und der Rückwärtsgang ist die einzige Bremse eines Schiffes ausser dem Anker.
Wie auch immer, wir haben den Steg fast nicht gerammt, mit Hilfe von Bootsnachbarn alle verfügbaren Leinen ausgebracht, um das Boot einigermaßem festzumachen. Der Abend und die Nacht sieht uns in schaukelndem, hin- und her tänzelnden Boot kurz vor der Seekrankheit. Denn der Sturm läßt einfach nicht nach.

Sonntag, 08.05. Liegetag in Toulouse
Es ist fast wie auf hoher See, auch heute bläst der Ostwind nach Kräften, das Schiff zerrt an den Seilen, die Platanensamen fliegen, die Augen tränen und geniest wird alle Nas' lang, womit sonst.

Heute wird gewaschen und getrocknet (Elke), was die Hafenmaschinen halten. Ich bestehe wieder die Wagnisse der Bedienung französischer Fahrkartenautomaten und erstehe ein Fahrkarte Toulouse – Agen zum Seniorenpreis in der blauen Periode (ja, das kann ich alles)für 16,50 €, um das Auto nachzuholen. Dass der Schaffner im Zug meine stolz präsentierte Fahrkarte allerdings als Quittung für die Visa-Bezahlung meiner Fahrkarte identifiziert, während dieselbe wohl noch im Ausgabefach des Automaten liegt, ist eine andere Geschichte, soviel jedoch noch: der Schaffner akzeptiert nach kurzem wohlwollenden Wortwechsel die Visa-Quittung mit einem schwungvoll dorthinein geknippsten Loch seiner Amtszange.

Montag, 09.05. Liegetag in Toulouse
Ein Loblied auf die Helden des französischen Alltags!
  1. Mme La Capitaine du Port St.Saveur, die Hafenmeisterin im städtischen Hafen Toulouse
  2. Colonnel Hurteau, Pompier Plongeur de Toulouse, Oberst Hurteau, Taucher der Feuerwehr Toulouse
Mme La Capitaine versieht ihr Amt mit einer Leidenschaft, die ihresgleichen sucht, sie ist Auskunftsbüro, Wetterwarndienst, Wäsche- und Trockenautomatexpertin und...sie versteht was von der Navigation. Das hatte ich schon bei unserem ersten Aufenthalt gemerkt, aber jetzt, wo es mit unserem kaum steuerbaren Schiff (die Schraube! Schon vergessen?) darauf ankam, hat sie es gekonnt vom Steg mit aller Kraft abgehalten, wußte sofort die zugeworfenen Seile gut einzusetzen und geschwind zu vertäuen. Ja, und hatte noch beruhigende Worte für die etwas flatternden Nerven von Skipper und Skipperin. In der Tat stellte sich heraus, dass sie auf einem Schiff geboren und mit der Flussschifferei groß geworden ist.
Aber, besser noch, sie kennt Colonnel Hurteau von der den Sapeur-Pompiers und sagte gleich am Samstag, ja, wenn der „Colonnel“ am Montag nach dem Wochenende wieder im Dienst sei, der könne uns vielleicht mit unserem malheur d'hélice (hélice=Schiffsschraube) helfen. Ja, den haben wir in der Tat nötig, denn nachdem unser Anlegemanöver verarbeitet war, habe ich mich auf die Badeplattform gelegt und mit dem Bootshaken unter dem Schiff herumstochernd etwas nachgiebiges, größeres Etwas erfühlt, aber konnte es mit dem Haken auch nicht wesentlich verschieben, loszerren, geschweige denn entfernen. Ich habe dabei allerlei Assoziationen an Edgar Wallace und Themse-Morde verdrängt. Am Sonntag noch kurz mit der Hafenkapitänin gesprochen, kein Problem, demain matin (übrigens hier gesprochen „dämäng matäng“) je m'occupe de ça.
Und tatsächlich, als der ansonsten pflichtenlose Skipper gemütlich nach dem Frühstück auf der Capitainerie erscheint: Der „Colonnel“ kommt um 14:15 Uhr und schaut sich die Sache an.
Der streng schauende Pompier links ist nicht unser George Clooney sondern der links sitzende Froschmann

Und Auftritt Alltagsheld Nr.2
Colonnel Hurteau kam überpünktlich (übrigens für die Damenwelt: ein schmucker Vertreter seines Standes), ich habe ihm ein auf mein Smartphone transferriertes Foto unseres Unterwasserschiffes und der Schraubenkonstruktion gezeigt: oui, je reviendrai avec mon collègue dans dix minutes, wenn sie sich umgezogen haben.
Sie kamen, mit Neoprenanzügen, Sauerstoffflaschen, Riesenschwimmflossen und – vor allem - großen, scharfen Tauchermessern. Ins Wasser, unters Schiff, fünf Minuten Luftblasen, und da kam es zum Vorschein, nein, nichts was der Krimiexperte erwartet hätte, sondern eine triviale Decke, Kunststofffaser mit fester Umkettelung, die bekommt auch eine kräftige Vierblattschraube nicht kaputt. Aber jetzt ist alles wieder frei, die Schraube dreht, das Wasserwandern, es hat uns wieder.
Das (eigentlich ja der) Corpus delicti

Anschließend noch in die Feuerwehrstation, die ja praktischerweise gleich neben dem Hafen ist, und für die Taucherkasse einen Obulus entrichtet.
Ansonsten ist vielleicht nebenbei zu erwähnen, das, während in Deutschland – auch in Ostfriesland - Hitzerekorde gebrochen werden, es hier nicht nur weiter stürmt, sondern dazu es auch noch kräftige Regenschauer gibt, was – wie man sich leicht vorstellen kann – Tauchern im Prinzip egal ist.

Dienstag, 10.05. Toulouse - Négra
Bei besserem Wetter - immerhin regnet es nicht,teilweise sogar Sonnenschein -  brauchen wir für sechs Schleusen und 27 KM sieben Stunden. Auf der Hinfahrt waren's nur fünf Stunden. Schuld war eine Péniche, bzw. ein zum Wohnboot umgebautes holländisches Plattbodenschiff, das dummerweise eine halbe Stunde vor uns gestartet war und so lang ist, das es immer nur allein in die Schleusen passte, für den Schleusenvorgang ziemlich lang brauchte und auch ein ganzes Stück langsamer fuhr als wir üblicherweise. Aber sowas kommt vor und macht die Langsamkeit des Schifferseins halt noch etwas langsamer. 
Als wir die letzte Schleuse unmittelbar vor dem kleinen Locabaot-Anlegesteg gemeistert haben, hat sich der Himmel zugezogen und es kam wieder ein kräftiger Sturm auf, der uns das Anlegen noch mal schwer machte. Der hat sich nachts dann gottseidank wieder gelegt.

Mittwoch, 11.05. Négra - Gardouch
Bei schönem Sonnenschein starten wir, und weil wir gestern solange unter unserem harten Schifferdasein gelitten haben, machen wir heute schon nach einer Doppel- und einer einfachen Schleuse um 12:30 nach 2 1/2 Stunden Fahrt in diesem Bilderbuch-Canal-du-Midi-Dörfchen fest. 
Gardouch
Wenn die Sonne sich zeigt, dann wird's gleich richtig warm. Gemütlich auf dem Achterdeck sitzend, der am Horizont sich zeigenden grauen Wolken nicht achtend, denken wir, dass unser in Toulouse zurückgelassenes Auto am schmalen Rand einer Hauptstraße da wohl doch nicht so gut aufgehoben ist, von wo ich es eigentlich erst in einigen Tagen nach einer Zugreise von Castelnaudary holen wollte. Und 31 Kilometer von Gardouch nach Toulouse sind ja noch gut für unseren wackeren Rabelais.
Gedacht, getan. Das diBlasi-Faltmockick von Deck gehieft und aufgeklappt, was umstehende Neugierige immer wieder aufs Neue verblüfft. Den 3-Liter-Tank gefüllt, über das T-Shirt noch ein Polohemd und vorsichtshalber die leichte Regenjacke übergezogen, Sturzhelm auf und los geht’s. Inzwischen ist es schon wesentlich gräuer geworden. Nach 30 Minuten der geschätzten Fahrt mit flotten 20 – 30 KM/h, der – italienische - Tacho zeigt optimistische 40 – 50 KM/h, ein erstes Tröpfchen, bald ein zweites, dann nieselt es. Na, und? Wir sind ja nicht aus Zucker! Dann wird ein richtiger Regen daraus, noch nicht das Schlimmste, aber nach weiteren 30 Minuten ist die Temperatur von über 20° auf 13° gefallen. Nach weiteren 30 Minuten, also wie erwartet 1 ½ Stunden erreiche ich steifgefroren und mit Waschfrauenhänden das Auto. Erst mal reingesetzt, Motor und Heizung plus Sitzheizung an – ja auch das hat unser 20 Jahre alter Bolide. Nach leichtem Auftauen, das „Bike“ zusammengefaltet, in den Kofferraum und geschwind und warm im wasserdichten Cabriolet nach Hause geglitten - vom Einzylinder zum Achtzylinder, statt mit einem PS mit deren 326, das sind Unterschiede. Zurück im Schiff erwartet mich eine bullernde Heizung und von liebender Hand bereiteter heißer Kaffee, dazu Pains aux Raisins. Abends hört der Regen auf, die sternklare Nacht mit zunehmender Mondsichel hat 5° zu bieten.

Donnerstag, 12.05. Gardouch – Le Ségala
Die Sonne scheint über Berg und Tal und hat schnell die Nachtkühle vertrieben. Zunächst bewältigen wir drei der letzten vier Schleusen zu Berg. Vor der vierten legen wir der hier wieder herrschenden Schleusenmittagspause wegen für eine Dreiviertelstunde an und machen einen Spaziergang zum ehemaligen Wasserspeicherbecken in achteckiger Form aus der Erbauungszeit des Kanals, der hier bei Naurouze und dem gleichnamigen Pass seinen Höhepunkt erreicht. Das Besondere des Canal du Midi ist ja, das er zu seiner Zeit (erbaut 1667 – 1681) einer der ersten mit einer Scheitelhaltung war. Das heißt, der Kanal steigt von der einen Seite an und auf der anderen Seite wieder ab. 

da steht's, wo das Wasser herkommt


Riquet, der Erbauer des Kanals, hatte also nicht nur die Aufgabe einer möglichst günstigen Streckenführung mit geringen Höhenunterschieden, sondern auch die, eine ständige und ausreichende Wasserzuführung zu ermöglichen, denn mit jedem Schleusenvorgang fließt ja von der Scheitelhaltung Wasser zur einen oder anderen Seite ab und der Kanal wäre schnell leer gelaufen. Riquet hat aus 50 – 60 KM Entfernung aus verschiedenen Wasserläufen der Montagne Noir Zuflusskanäle und entsprechende Staubecken bauen lassen, aus denen eben hier bei Naurouze das Wasser den Kanal speist.
Und hier sind wir, am höchsten Teil des Kanals, hier fließt das Wasser aus den fernen Bergen zu

Nach der Mittagspause steigen wir noch einmal in der Schleuse „Ocean“ 2,62 Meter auf und haben die Scheitelhöhe von 190 Meter über Meerespiegel erreicht. Auch heute sind wir nicht allzu fleißig und legen nach weiteren drei, insgesamt 15 Kilometern in Le Ségala an. Etwas umständlich wegen flachen Ufers mit unserer Leiter-Gangway als Abstandshalter. Da wäre das Balancieren mit dem immerhin 38 Kg schweren Rabelais ans Ufer waghalsig und etwas Sport schadet auch nicht. Also das leichte Rennrad vom Boot und die 15 KM nach Gardouch auf hier asphaltiertem, den Kanal begleitenden Radweg zurück nach Gardouch geradelt, etwas schweißtreibend in 50 Minuten. Kaum zurück mit dem Auto, nähert sich eine immer dunkelblauere Wolkenwand, die schließlich ein kleines Gewitter und einen lang anhaltenden Regen entlädt durch welchselben wir in kurzem Fußmarsch das Restaurant „Relais du Riquet“ erreichen, in dem man ausgezeichnet und preiswert essen kann. Das hatten wir schon auf der Hinfahrt vor knapp vier Wochen entdeckt.

Freitag, 13.05. Le Ségala – Castelnaudary
Zunächst trocken durch fünf Schleusen, davon eine Doppel- und eine Dreifachschleuse, kurz vor dem Ziel aber doch noch ein kleiner Nieselschauer. Gleich nach dem Anlegen im schönen Castelnaudary um 12:30 Uhr kommt ein wenig die Sonne durch, gleichzeitig aber auch kräftiger Westwind. Das bedeutet wieder harten Kampf mit dem Gegenwind für mein Mockick auf der Auto-Nachholfahrt, die dennoch in kaum mehr als einer Stunde bewältigt ist. Am Nachmittag größerer Einkauf und danach, man glaubt es kaum, ist schon wieder Schluß mit dem sommerlichen Intermezzo: dunkle Wolken und kräftige stundenlange Regengüsse. So hatten wir uns das mit Südfrankreich und dem Frühling nicht vorgestellt. Aber es ist nun mal nicht zu ändern.


Samstag, 14.05. (Pfingstsamstag) Liegetag in Castelnaudary
Die ganze Nacht hat es geschüttet und morgens auch, da bleiben wir liegen, und zwar im Bett länger als sonst und im Hafen sowieso. 

Pfingstsamstag in Südfrankreich 
Ab 14:00 Uhr wird’s trocken, am Nachmittag sogar etwas Sonne. Das Wetter kommt mir am Vormittag gar nicht ungelegen, da kann ich bei gutem WIFI – Empfang Arbeiten für den Broterwerb erledigen, die auch noch ab und an anstehen, aber nicht ungelegen kommen. Nachmittag noch ein Besuch im großen Intermarché im Industriegebiet von Castelnaudary. Heißt u.a. für das Abendessen: frische Austern und dto. Fischpastete.

Sonntag, 15.05. (Pfingstsonntag) Castelnaudary – Bram
Nachts noch heftige Regenschauer, aber vormittags - wie im Wetterbericht angekündigt - beruhigt es sich und um 10:00 Uhr werfen wir die Leinen los, einige blaue Löcher sind im Gewölk zu entdecken und wir beginnen den Tag mit der Vierfach-Schleuse von Castelnaudary, die wir in 22 Minuten bewältigt haben. Bei immer besserem Wetter folgen weitere 11 Schleusen und um 15:15 haben wir einschließlich der Schleusenmittagspause von einer Stunde 16 KM zurückgelegt und machen fest im Hafen von Bram, 1,6 KM vom alten Ort, der zu Augustus' Zeiten Eburomagus hieß und seit dem Mittelalter sich immer um die Kirche herum zu einem kreisförmigen Ort entwickelt hat. Die ehemalige Kanalkontrollstation im Hafen von Bram (was mögen die wohl kontrolliert haben?) beherbergt heutzutage eine kleine Mietbootstation und die „Isle des Oiseaux“, ein Restaurant, welches wir schon voriges Jahr aufgesucht haben, das, als wir im April hier vorbeikamen, noch geschlossen hatte, aber dessen Fisch- und Schalentiergerichten wir heute Abend zusprechen, nicht ganz preiswert, aber gut. Am Nachmittag hatte ich per Rabelais noch schnell in 1 ½ Stunden das Auto nachgeholt.


Montag, (Pfingstmontag) 16.05. Bram – Villesequelande
Um halb 11:00 brechen wir bei sonnigem Wetter mit einigen Wolken auf, passieren die Schleuse Nr.35 Beteille von 11:05 – 11:20 und erreichen Villesequelande um 12:00. Dort legen wir an, und geniessen wie schon im vorigen Jahr diesen ruhigen, schönen Liegeplatz mit weiter Aussicht über Weinfelder auf die Berge der Montagne Noir bei endlich warmen Wetter. Um 13:00 Uhr hole ich in 50 Minuten das Auto, der Rest ist Faulenzen.

Für mich der schönste Liegeplatz am Canal du Midi

Dienstag, 17.05. Villesequelande – Carcassonne
Nachdem ich am Morgen zum Wassertanken die an der Anlegestelle vorhandenen typisch französischen Trinkwasserspender (Druckknopf, Wasserhahn ohne Gewinde) mit einer trickigen Kombination aus kleinem Spanngurt (damit nicht immer wieder der Druckknopf gedrückt werden muß) und konischem Aufsteckanschluss mit feststellender Schraubklemme der segensreichen Firma Gardena (womit ein Schlauch an einen gewindelosen Hahn angeschlossen werden kann) überlistet habe, werfen wir nach gemütlichem Decksfrühstück um 10:20 Uhr bei bestem Mützenwetter (sagte meine Mutter immer, was immer das eigentlich bedeuten sollte), also sonnig und warm, die Leinen los und sind bis zur Mittagspause (der Schleusen 12:30 – 13:30) in Carcassonne, machen aber nach der Mittagspause noch die Schleuse unmittelbar nach dem Hafen mit ihrer sehr niedrigen, aber für uns gerade noch machbaren Brücke (d.h. wir müssen die Windschutzscheiben nicht legen) und legen unmittelbar dahinter in ausgesprochen ruhiger Umgebung an: Hauptbahnhof Carcassonne mit vielen Personen- und Güterzügen und noch mehr Durchsagen, mehrere Hauptstraßen mit den wahnsinnigen und offensichtlich gehörlosen Moped- und Motorradfahrern Frankreichs, aber sonst schöner Steg, Strom, Wasser, WiFI zum Spottpreis von 19,40 €. (Die meisten anderen Liegeplätze mit Strom- und Wasserversorgung am Canal du Midi kosten so zwischen 12 und 14 €.) Rabelais trägt mich in einer halben Stunde zum Auto in Villesequelande und das uns beide in 10 Minuten zurück nach Carcassonne, wo der restliche Nachmittag entspannt in besagter ruhiger Umgebung im Liegestuhl auf dem Achterdeck verbracht wird. Am Abend bereitet die Skipperin Tortellini mit Rotbarben, dazu ein schöner Weißwein. Und morgen -so verspricht der Wetterbericht durch das für Gäste 30 Minuten kostenfreie Internet – soll es auch wieder schön sein. Schau'n mer mal.

Mittwoch, 18.05. Carcassone – Trèbes
Um kurz vor 10:00 legen wir ab, nach 20 Minuten kommen wir zur ersten Schleuse nach Carcassone, der dann eine Dreier-Schleusentreppe folgt. Bei grauem Himmel sind wir los, bald darauf heller Sonnenschein und nahezu wolkenloser Himmel. Es folgen noch zwei weitere Schleusen und nach 11 KM legen wir um viertel vor Eins in Trèbes an, das eine kleine Platanenpromenade mit Cafès und Restaurants am Kanalufer aufzuweisen hat und deswegen Ziel vieler Touristen ist. Wir machen unser Schiff direkt vor einer Pizzeria und einem Café fest, buchstäblich unter einem Kaffehausstuhl, wo sich ein Poller befindet. 
Trèbes
Anschließend gleich das Auto per Rabelais in einer dreiviertel Stunde nachgeholt.
Am Nachmittag gibt’s ein englisches „Hello“ von einem Ehepaar, das wir im vorigen Jahr bei einem langen Schleusentag und einigen gemeinsamen Tagen in Castelnaudary kennengelernt haben und die ihr Boot unterhalb der Schleuse von Trèbes liegen hatten. Als wir dann auf dem Achterdeck gemeinsam ein Gläschen Rosé (oder waren es zwei?) tranken, musste sich natürlich die Sonne hinter Wolken verbergen, die auch noch einige Tropfen auf uns regneten. Das konnte unseren Bootsfahrergesprächen aber keinen größeren Abbruch tun.
Am Abend waren wir zum Essen in der ebenfalls an der Kanalpromenade liegenden „Poissonerie modèrne“, die wir auch voriges Jahr schon zweimal zu unserer Zufriedenheit aufgesucht hatten. Diesmal war das Urteil gemischt, meine Plat de Fruits de Mer war sehr gut, aber was kann man auch groß falsch machen beim Servieren von Austern, Garnelen, Krabben und einem halben Hummer? Elkes Spieß von Lachs und Jakobsmuscheln hingegen ließ sehr zu wünschen übrig. Lidl – Lachs ist dagegen 10 mal besser.


Donnerstag. 19. Mai Trèbes – Marseillette
Grau und natürlich in der Dreifachschleuse von Trèbes ein kräftiger Guß, aber dann hellt es sich auf und wird ein freundlicher Tag. Nach der Trèbes – Schleuse kommt ein sehr schönes, abwechslungsreiches „Bief“ (Teilstück zwischen den Stauhaltungen/Schleussen) von 10 KM zu dem kleinen Ort Marseillette. Dort machen wir um 12:00 Uhr fest nach zwei Stunden Gesamtfahrzeit. Auto wird nachgeholt.
Es gibt sie noch - die französische automobile Grundausstattung

Freitag, 20.Mai Marseillette – Argens sur Minérvois
Wunderbares Wetter begleitet uns heute auf unserer etwas längeren Strecke mit fast 10 Schleusen – darunter einige Zweier- und eine Dreierschleusen, wir sind fast sechs Stunden unterwegs, bevor wir in Argens um 10 vor Vier die Leinen fest machen. Es hat auch einen Grund: hier an unserem Winterliegeplatz 2015 auf 2016 wollen wir einige Tage bleiben und morgen – Samstag – macht ein örtlicher Winzer vormittags Weinverkauf, sehr gute Rotweine, die Weißweine und der Rosé sind auch nicht zu verachten. Und da wollen wir ein wenig die Vorräte auffrischen, ggfls auch etwas nach Hause mitnehmen.
Mit etwas Rückenwind ist die Auto-Nachholaktion über 20 KM in 40 Minuten erledigt.

Samstag, 21.05. - Donnerstag, 26.05. Liegetage in Argens
Einige Reparatur- und Pflegetage standen an. Die vielen Schleusen sind trotz der geradezu sagenhaften Fahrkünste des Kapitäns nicht ganz spurlos an unserem Boot vorüber gegangen. Die Midi-Schleusen haben die Eigenheit, oval gebogene Wände zu haben mit der Folge, dass ein Boot mit geraden Seitenwänden und über eine bestimmte Länge nicht so ganz parallel zur Schleusenwand liegen kann und da gerne mal hinten mit der Badeplattform etwas anschrammt, vor allem, wenn sich bei langsamer Fahrt am engeren Schleuseneingang der hintere Fender nach hinten wegschiebt und seiner Aufgabe, das Boot von Kaimauern oder Schleusenwänden abzufendern also fernzuhalten, nicht mehr so recht nachkommen kann. Ein weiteres Problem – nicht nur bei den Midi-Schleusen – ist, dass sie manchmal buchstäblich bis zum Rand gefüllt sind und hier die Fender aufschwimmen, über die Schleusenwand gedrückt werden und nun die Bootswand völlig ungeschützt den kaum 10 cm über die Wasseroberfläche reichenden Wänden ausgesetzt ist, wenn der Kapitän nicht beherzt an Land springt und das Boot abhält. - Was nicht immer gelingt.
Kurz, das Boot hat ein paar Schrammen abbekommen, die ich während unserer Liegetage ausbessere. Dann sind einige Fugen unseres Teakdecks auf dem Achterdeck nicht mehr ganz dicht, weil zwei Teakstäbe sich etwas hochgebogen haben. Die habe ich ausgelöst (entfernt) und durch neue ersetzt, verklebt und dann die Fugen ausgegossen. Mit Aushärten und Abschleifen wegen der Wartezeiten dazwischen drei Tage.


Teakdeckreparatur
Und dann war auch noch eine größere Schiffswäsche erforderlich. Dummerweise hat nach derselben der starke Ostwind nach kurzer Pause auf starken Westwind gewechselt und auf das frisch gewaschene Schiff ging ein Regen von pusteblumenartigen weißen Wolken von der nunmehr in Luv (das ist die Windseite) stehenden großen Pappel nieder, die nur an ihre Vermehrung und nicht an unser Schiff dachte. Dann kamen natürlich auch die trivialen, gleichwohl nötigen Säuberungsarbeiten im Schiffsinneren hinzu mit unserem tollen, in Paris für 55 € erstandenen beutellosen chinesischen Staubsauger, der nicht nur - wie alle chinesischen Geräte, in denen Kunststoffe oder Gummi verarbeitet sind – bestialisch stinkt, sondern sich seine Beutellosigkeit mit ständigem Reinigungsaufwand der verschiedenen Staubbehälter und deren Filtersystemen bezahlen läßt und das nach bzw. vor jedem Saugen.
Locaboathafen in Argens sur Minervois
Neben diesen Putz-,Pflege- und Ausbesserungsarbeiten waren es aber auch unterhaltsame Tage, nicht nur weil unser Liegeplatz im Locaboat-Hafen, (Locaboat ist ein Mietbootunternehmen) interessante Anlege- und sonstige Fahrmanöver gänzlich ungeübter, dennoch zu allem wild entschlossener Mannschaften bot, sondern weil wir eine Bekanntschaft aus dem Vorjahr wiedertrafen, die hier einen großen Teil des Jahres im schön aus- und umgebauten ehemaligen Bäckerhaus lebt und uns schon voriges Jahr viel aus der näheren und weiteren Umgebung gezeigt oder uns darauf hingewiesen hat. Leider war das Wiedersehen tragisch überschattet vom Tod der Ehefrau plötzlich Anfang des Jahres. Wegen des von der Frau betriebenen, auf einmal abreißenden e-mail-Kontaktes hatten wie schon so etwas befürchtet. Dennoch konnten wir in manchen Gesprächen, wenn nicht Trost spenden, so dem Witwer mindestens etwas Ablenkung bieten u.a.mit gemeinsamem Muschelkochen und -verzehr – die Muscheln hatten wir vorher beim Fischer im Mittelmeerort Gruissan erstanden.



Freitag, 27.05. Argens – Port Minervois
Endlich ein warmer sonniger Tag ohne allzu viel Wind. Nun brechen wir endgültig auf zur langsamen Rückkehr. Argens ist uns inzwischen ein wenig ans Herz gewachsen. Aber nun, kurz nach dem Hafen die Schleuse Argens und dann liegen 52 Kilometer schleusenfreie Strecke vor uns. Das Auto hatte ich am Vortag schon nach Le Somail gebracht. Um halb zwölf kommen wir dort an, machen hinter der malerischen Brücke noch aus Riquets Zeiten mit alter Poststation fest, froh, einen freien Platz gefunden zu haben zwischen Pénichen und Mietbootstation, denn der Bootsverkehr hat nun doch erheblich zugenommen. Kaum sind alle Seile ordentlich vertäut, kommt ein durch Polo-Hemd mit Logo als wichtig gekennzeichneter, voraus eilender Mitarbeiter einer Hotelpéniche und behauptet, der noch vorhandene freie Platz hinter uns (reserviert für Pénichen) würde nicht ausreichen, denn außer seinem demnächst eintreffenden Schiff käme noch eine anderes und der Teil des Ufers, an dem wir festgemacht hatten, sei auch noch für „Bateaux á passagers“ reserviert. Das ist zwar nirgendwo gekennzeichnet, ausser auf einem in der Nähe stehenden, für Bootsfahrer überhaupt nicht ersichtlichen Übersichtsplan, den ich mir natürlich dann genau anschaue und die Platzansprüche des Logopolohemdianers absolut unbelegt finde. Wir diskutieren noch ein bißchen aus Sport, räumen aber dann das Feld. Wenn man uns hier nicht haben will – fahren wir eben woanders hin. Und das war gar nicht schlecht, denn kaum zwei KM weiter gibt es einen Anlegekai, etwas hochtrabend „Port Minervois“ genannt (knapp einen Kilometer vor dem Abzweig des Canal de la Robine nach Narbonne), wo sich auch eine kleine Bar befindet. Dort gibt es regionale Spezialitäten, Wein und anderes zu kaufen, kleine Snacks, etc. Auf unsere Frage, ob wir hier anlegen können, wird ein freundliches „Bien sur“ zurückgerufen. So machen wir hier fest, der Anlegeplatz ist kostenfrei (allerdings auch ohne Wasser und Strom), ruhig und im Halbschatten schöner Pinien – ja, heute ist Schatten zum ersten Mal auf dieser Reise etwas Angenehmes. Mit einem Eis aus der Bar belohnen wir uns für die bisherigen Anstrengungen des Tages.
Nun mit dem Motorrädchen die kurze Strecke nach Le Somail zurück, dort ins Auto gepackt, das ich dann gleich nach Capestang bringe, unserem Ziel für morgen. Auf meinem „Bike“ zurück zum Port Minervois. Dort schöner lauer Abend an Deck.




Samstag, 28.05. Port Minervois – Capestang
Kaum war's mal schön, ist es morgens grau, nachts hat es etwas Regen gegeben. Mit Rabelais reite ich in den kleinen Ort Mirepeisset Brot holen in der Épicerie, in der es alles für Alle gibt. Nach dem Aufbruch erst immer mal wieder feiner Sprühregen, der sich mehr und mehr zum richtigen Regen entwickelt und in die Regenjacken zwingt. Schade um eine der schönsten Strecken des Canal du Midi, die Aussichten sind bei schönem Wetter eben noch schöner. In Capestang liegt auf beiden Seiten des Kanals alles voller Schiffe, wir finden noch einen Platz, aber hier das Boot bis Ende August liegen zu lassen, geht leider nicht. Wir schauen nämlich langsam nach einem solchen Platz, weil wir Mitte, spätestens Ende Juni wieder nach Hause fahren wollen, um dann im September die Fahrt zu unserem Winterquartier in St.Jean de Losne an der Saône zu unternehmen.
Abends Essen im Restaurant direkt neben der Hafenmeisterei – gut und reell.





Sonntag, 29.05. Capestang – Béziers
Morgens kühl, aber aufgelockert nach kräftigen Regengüssen in der Nacht. Erst grau, aber im Verlauf des Tages immer sonniger, allerdings erneut mit kräftigem Westwind. Wir schippern das letzte Stück der schleusenfreien Strecke auf dem Kanal mit immer wieder schönen Fernsichten zur berühmten Schleusentreppe von Fonserranes, Riquets Meisterwerk. Insgesamt 9 Schleusen haben die Pénichen früher bis zum Orb hinunter getragen – bzw. von dort hinauf. So wurde ein für die Technik des 17.Jahrhunderts erstaunlicher Höhenunterschied von 22 Metern bewältigt. Im 19.Jahrhundert wurde dann eine Kanalbrücke über den Orb gebaut, die die beiden letzten Schleusen zum Fluß ersparte und zum Port Neuf, dem neu angelegten Hafen zwischen Stadt Béziers und Fluß führte. Dem Freizeitschiffer von heute sind damit 7 Schleusen dieser Treppe geblieben, die er – je nach Naturell – als sportliche Herausforderung oder als notwendiges Übel vor den Augen vieler Schaulustiger und oft in Gemeinschaft mit von unterschiedlich begabten Kapitänen geführten Schiffen bewältigen muß. Oft ist auch eine gehörige Wartezeit zu absolvieren, weil sich die Boote hier naturgemäß stauen – pro Durchgang muss mit 50 – 60 Minuten gerechnet werden, die Abfahrten bzw. Auffahrten finden zu bestimmten Zeiten statt. Wir kommen mit etwas Glück 15 Minuten vor Beginn der zweiten talfahrenden Schicht (13:30 – 15:30) als 6.Boot in der Warteschlange an. Die erste Gruppe mit drei Booten startet pünktlich und zehn Minuten darauf wir als letztes Boot in der zweiten Dreiergruppe. Wir können uns beim Ein- und Ausfahren in die Schleusenkammern Zeit lassen, die vor uns fahrenden Mietbootbesatzungen hantieren, sagen wir mal, unkonventionell und zeitaufwändig mit Anlegemanövern und Seilen. Aber eine Kurzeinweisung von dreißig Minuten durch die Mietbootunternehmen ins Schifffahren ist eben nicht unbedingt eine vollwertige Ausbildung.

Nach der Überquerung des Flusses Orb noch eine Schleuse und wir langen im neu gestalteten Hafen von Béziers an, Strom, Wasser, Videoüberwachung (für die Boote), schöner Blick auf das große Hafenbecken, zwei Schleusen, was will man mehr.

Sonntag - Montag, 30.-31.05. Liegen in Béziers
Erst klang es ganz gut, was uns die diensthabende Hafenmeisterin am Sonntag sagte, ja drei Monate das Boot hier liegen lassen würde wohl gehen - und der Preis klang auch akzeptabel. Aber entscheiden würde das der "Big Boss" und der käme am Montag vormittag. Wir also Montag vormittag in die Capitainerie, aber, hélàs, der "Big Boss" kommt erst am Dienstag, sagte seine Stellvertreterin, schüttete aber schon mal etwas Wasser in den Wein, eigentlich würden sie über die Hauptsaison keine Dauerlieger nehmen. Daraufhin haben wir noch in zwei weiteren Häfen in St. Gilles und bei Orange an der Rhone angerufen, die prinzipiell etwas frei hätten, aber der Preis... Dann haben wir eine kleine Auto-Spritz-Tour an den Mittelmeerstrand gemacht und vorher an den kanalmäßig auf Béziers folgenden Ort Villeneuve lès Béziers. Hier liegen sehr viele Schiffe an des Ufers Rand, fast alles Dauerlieger. Keine Bewachung, kein Strom, kein Wasser, aber ruhig, kleiner Ort, in dem es alle wichtigen Geschäfte gibt und vor allem-es gibt eine Lücke in der langen Kette der Dauerlieger, die gerade für uns passen würde...

Dienstag, 01.06., Béziers -  Villeneuve lès Béziers
Es kam wie wir es schon befürchtet hatten, der "Big Boss" war am Dienstag vormittag anwesend, sehr freundlich, erst lehnte er die lange Liegezeit ab, dann verstand er, dass wir keine 35-m-Peniche haben, sondern nur ein "kleines" Boot von 11,50 m, ja da ließe sich was machen, aber in der Hauptsaison gelten nicht die Monatspreise, sondern die erhebliche teureren Hauptsaison-Wochenpreise, das wären für uns um die 900 € gewesen. Vielen Dank, nein, da fahren wir wieder weiter. Kurz vor Mittag gestartet, schaffen wir noch zwei Schleusen, nach der Mittagspause kommen wir in Villeneuve lès Béziers an, die gestern Lücke ist noch frei, wir legen dort an, schlagen buchstäblich unsere Pflöcke ein (um das Boot daran festzumachen) und beschliessen erst mal ein paar Probetage hier zu verbringen und dann zu entscheiden, ob wir das Boot hier lassen.

Mittwoch, 02.06. - Sonntag, 05.06. Villeneuve lès Béziers
Nun haben wir uns entschieden, wir lassen das Boot bis ende August hier, bis wir dann für das Winterquartier in St.Jean de Lôsne aufbrechen. Am kommenden Dienstag werden wir per Auto gen Ostfriesland aufbrechen...
Bis dann, liebe Leser!