Berichte von Till Friedrich mit etwas Rücksicht auf nicht mit der Sportschifffahrt Vertraute. Kenntnisreichere Leser mögen über einige Erläuterungen auf Klippschul-Niveau für Nicht-Schiffer hinwegsehen.

Sonntag, 24. April 2016

Frankreich 2016, Teil 2: Canal Lateral a la Garonne

Canal Lateral a la Garonne


Donnerstag, 21.04. Toulouse - Grisolles
Heute wollen wir weiterfahren, es ist grau, aber weitgehend trocken, obwohl die Hafenmeisterin gestern abend noch einmal mit dem Wetterbericht für morgen kam, wonach es regnen sollte und vorschlug, noch einen Tag zu bleiben, denn dann gelte für unsere Anwesenheit schon der günstigere Wochenpreis.
Nein, heute soll es weitergehen, wir legen ab …. und ein ganz feiner Nieselregen beginnt, kaum zu merken, hört auch immer wieder auf. Nordwestlich durch die Stadt geht es durch drei Schleusen bis zum Ende des Canal du Midi. Dort beginnt der Canal lateral á la Garonne (Garonne Seitenkanal), in den wir nach anderthalb Stunden einfahren. Verkehr ist schon seit der letzten Übernachtung vor Toulouse in Négra so gut wie keiner mehr, vor allem keine Leihboote mehr, so auch jetzt im Garonne-Kanal. Auf diesem Kanal begleiten uns noch ein Stück laute Autostraßen, Fabrik- und Lagergebäude, aber langsam endet die Stadt, es wird stiller und auf der oft direkt am Kanal verlaufenden Eisenbahn kommt ab und an mal ein Zug, doch der ist schnell vorbeigerauscht. Rauschen tut er zwar noch nicht, aber der Regen nimmt langsam zu, macht auch keine Pausen mehr. Es wird nass und nässer, ich schicke die beste aller Ehefrauen und beste aller Decksoffiziere unter dasselbe, es reicht, wenn einer nass wird. - Schon früher einmal erwähnt, wegen der niedrigen Brücken über den Canal du Midi mussten wir unser Cabrio-Verdeck über dem Steuerstand abbauen und wir haben nur einen Steuerstand an Deck. - Die Schleusen kann man gut allein machen, es sind Automatikschleusen. Bei Annäherung an eine Schleuse, meldet man sich durch drehen an einem über dem Kanal senkrecht hängenden gartenschlauchähnlichem 

Gebilde an, die Ampel vor der Schleuse springt von Rot auf Rot-Grün, die Schleuse füllt sich, dann öffnet sich das Tor (wenn die Schleuse schon voll/oben ist, geht das Tor gleich auf), man fährt ein, manövriert möglichst passgenau an eine der beiden senkrecht ins Schleusenwasser tauchenden Stangen,
macht daran ein Tau mittschiffs fest (wir jedenfalls kommen ohne ein zweites Tau aus), steigt an Land und drückt am Schleusensteuerungsgerät eine grüne Taste 

und das Boot sinkt mit der Schleuse und mit ihm rutscht das Seil die Stange hinunter. Unten angekommen, Seil lösen, während die Tore öffnen, und ausfahren. Aber bei nassen Hosen, Blick versperrend rutschenden Kapuzen und anderen regenbedingten Unannehmlichkeiten wird es langsam ungemütlich, doch die im Kartenführer vermerkte, von uns als Tagesziel geplante Anlegestelle gibt es nicht, also weiter, und die Anlegestellen vor oder nach den kommenden Schleusen liegen in der Wallachei, will sagen, weit entfernt von einem „Boulanger“. 16:00, zwei Stunden später als geplant, finden wir in Grisolles schließlich einen kleinen Ladekai, der nicht gänzlich von überwinternden oder sonstwie dauerliegenden Schiffen (meist Engländer auf Riesenschiffen, also langen Schiffen) belegt ist. Einen Ring zum Festmachen gibt es immerhin, während mir das Wasser aus allen Ärmel- und Hosenlöchern läuft, noch schnell einen Hering eingeschlagen und endlich ins wohlgewärmte Schiff, etwas Trockenes an. So sieht von drinnen die Regenwelt draußen ganz gemütlich aus, zumal mit einem innerlich wärmenden Grog in der Hand und dann im Bauch.

Freitag, 22.04. Grisolles – Montech
Nach gestrigem Dauerregen bis in die Nacht sieht der Morgen ganz hoffnungsfroh die Sonne durch aufsteigenden Nebel schimmern, wie sich herausstellen wird, schafft die Sonne es den ganzen Tag nicht, gänzlich durchzukommen, aber immerhin bleibt es während unserer kurzen zweistündigen Fahrt mit nur einer Schleuse trocken. 12:25 machen wir die Leinen fest im kleinen Hafen von Montech. Vor einer Kette von fünf Schleusen und einem daneben liegenden technischen Wunderwerk aus den 70iger Jahren, dem Pente d'Eau, eine schräge Rinne, in der die Penichen(Berufsschiffe) bis 2009 mit einem Wasserkeil von zwei kräftigen Dieselmaschinen hoch geschoben bzw. heruntergelassen wurden.
Pente d'Eau de Montech - Wasserkeil-Schiffshebewerk bei Montech

Über die valentineske Nummer der Anmeldung bei einer netten,  aber völlig überorganisierten oder , ehrlicher, unterdurchblickenden Hafenmeisterin, um unsere 3,60 € Liegegebühr zu entrichten, folgt noch eine Ergänzung..
HIER ist die Ergänzung:
Also, die Hafenmeisterin: Als wir ankamen, war in dem Hafen – der wie die meisten Kanalhäfen eigentlich nur eine Verbreiterung des Kanals ist, an dessen alten Ladekais Stege angebracht werden(manchmal nicht einmal das) - ein (ja, ein !) Platz frei, sonst alles Dauerlieger. (nicht nur Engländer). Die Capitainerie (Hafenmeisterei) geschlossen, Mittagszeit, es hätte aber auch wegen Vorsaison sein können. Strom- und Wasseranschlüsse gibt es, die (englische) Bootsnachbarin erklärt, dass man Jetons brauche, die es am Automaten an der Hafenmeisterei gebe. Gesagt, getan, zum Automaten und zwei Jetons á 2 € per VisaCard (!) erstanden, für die man je 3 Stunden Strom und 30 Minuten Wasser tanken kann. Nachmittags ist dann die Captainerie doch geöffnet, wir hin, weil sich das so gehört und wir sowieso einen kleinen Spaziergang ins Städtchen machen wollten. Madame la Capitaine fragt, auf welchen Platz wir uns gelegt hätten (Auf welchen Platz? War doch nur einer frei?). Platz 15? Hm. Ob wir Jetons hätten? Ja, vom Automaten. Vom Automaten? Hmm. Wie lange wir bleiben wollten? Eine Nacht? Hmmm. Dann hektischer Telefonanruf bei wem auch immer. Vielleicht bei Mr. le Maire? Des passants, pour une nuit, oui, ils avons des jetons, etc., französisch wortreich für einen einfachen Sachverhalt. (Ich empfehle einmal die Verkehrsnachrichten im Radio „Info“ während einer Autobahnfahrt. In der Zeit hat der WDR - früher, als es sowas noch gab - ein Hörspiel gesendet.) Dann wieder an uns, wann wir denn morgen starten wollten? 10:00 Uhr? Hmmmm. Ein weiterer Anruf. Auch hier geht es um die erstaunliche Tatsache, dass ein Boot im dafür vorgesehenen Hafen angekommen ist und über Nacht bleiben will. Dann wieder zu uns, es sei nämlich so, morgen früh käme ein Monteur zu einem Boot, dass an dem Steg vor dem Restaurant am Hafen läge und der rauche stark, das Restaurant mache aber schon um 08:00 Uhr auf und deswegen müsse das Boot frühzeitig an den einzig verfügbaren Platz verlegt werden, nämlich den, an dem wir lägen. Schließlich habe ich verstanden (sorry, mein Fehler), dass nicht der Monteur stark raucht, sondern die Motoren des Schiffes bestialisch qualmen und die Gäste des Restaurants nicht belästigt werden sollen. Statt weiterer Diskussion nimmt die Madame zwei Aufstelltafeln in die Hand, bedeutet uns mitzukommen. Ein Schild „Reservé“ stellt sie vor unserem Liegeplatz auf, das nächste am Kaiende und dorthin sollen wir unser Boot umlegen. Nachdem wir ihr aber deutlich gemacht haben, dass wir an dem Platz (wo keine Festmacher mehr waren) unmöglich liegen könnten und wollten und wir außerdem, wenn denn alles so schwierig sei, ja auch früher aufstehen und dann los fahren könnten, wenn das andere Boot an unseren Platz wolle, war die Hafenmeisterin auch zufrieden. Ah ja, gut, ja, wenn das Boot dann käme und wir losführen...Bon! Pragmatisch ist er, der Franzose und natürlich auch die Französin. Also dann zurück in die Capitainerie, auf das wir das Liegegeld für die Nacht entrichteten. Hier dauerte es gefühlt nur noch wenige Hörspiellängen, bis wir den für Franzosen verständlicherweise völlig unverständlichen Bootsnamen „Gouden Eeuw“ buchstabiert hatten, auch den merkwürdigen Namen „Friedrich“ und so schließlich den DIN-A4 Bogen mit der Anmeldung in Händen hielten. Die Liegegebühr von 3,60 € incl. Taxe de séjours hatte sich die Stadt Montech redlich verdient.
Wer sich jetzt fragt, was das alles mit den Jetons vom Automaten zu tun haben könnte, ist genauso ratlos wie ich nach einer Folge von Inspektor Barnaby (Engländer). Es ist wahrscheinlich überflüssig zu erwähnen, dass am nächsten Morgen weder Eigner noch Monteur kamen. (und am übernächsten Tag auch nicht) und das Boot, wenn es nicht verqualmt ist, wohl noch immer da liegt.
Abends gut, aber auch relativ teuer gegessen im am Hafen gelegenen Restaurant eines Christian Constant, der über Frankreich verteilt wohl mehrere Restaurants betreibt.


Samstag, 23.04. Montech – Castelsarrasin
Wegen vortags beschriebener Umstände also klingelt der Wecker um 07:00, um 07:30 bin ich beim Bäcker, das Frühstück ist um 08:30 beendet, wir sind startklar, aber, wie gesagt, kein rauchender Monteur in Sicht, die Schleusen machen erst um 09:00 auf. Wir trödeln noch ein bißchen hin, kontrollieren noch einmal des Mastes Neigung – ja wir haben gestern, bevor wir das Abenteuer mit Mme la Capitaine bestanden haben, aufgrund der vorvortägigen Wettererfahrung und der Tatsache, dass die Brücken auf dem GaronneKanal mindestens 3,60 Meter Durchfahrthöhe haben, unser Cabrioverdeck wieder montiert und den Mast so eingestellt, dass er unser Höhenmesser für knappe Durchfahrten ist.
Dann tuckeln wir langsam bei grauem, aber trockenem Wetter los, kommen um 09:00 Uhr an der ersten der fünf Schleusen in Folge an, es ist grün, aber… kein Schleusenwärter da. Nach einem Anruf kommt er – Unverständliches brummelnd - auf seinem Dienst-Mofa angebraust, und in einer knappen Stunde haben wir die Schleusen bewältigt, nach einigen weiteren in ruhiger Fahrt bei einem entgegenkommendem (deutschen) Segelboot langen wir in Castelsarrasin um die Mittagszeit an. Ein relativ großer Hafen, sogar eine kleine Werft, ein Bootsverleih „LeBoat“ und einige - wenige - freie Plätze. Sonst alles Engländer. Nein, nicht nur, auch Franzosen mit abenteuerlichen Wohnbooten. Die Capitainerie ist geschlossen, nicht wegen Mittagszeit, sondern im „Winter“ (September – April) ist sie nur wochentags geöffnet. Strom und Wasser gibt’s aber trotzdem, ohne Jetons und Automaten, und sogar WiFi, das ich dank meiner speziellen neu angeschafften und am Mast montierten Verstärker-Antenne auch im Boot empfangen kann. Die Liegegebühr beträgt laut Aushang 7 Euro.
Der Bahnhof liegt gleich über die Passerelle gegenüber, kein Kampf mit Automaten ist nötig. Von einer sich unendlich auf einen Kunden freuenden jungen Bahnbediensteten gibt es am tatsächlich vorhandenen Fahrkartenschalter Auskunft und für 5 € ein Ticket nach Toulouse und der Zug kommt auch schon in 45 Minuten. 12:59 geht’s los, in einer knappen Stunde bin ich am Hauptbahnhof von Toulouse, in zwanzig Minuten geschwinden Schrittes am Hafen und mit dem Auto durch finsterste Regenschauer in 1 ¼ Stunden wieder die 65 KM zurück in Castelsarrasin. Dort scheint – nach ebenfalls heftigen Schauern - wieder die Sonne und gegenüber dem Hafen beginnt Leben in die dort aufgebaute Kirmes mit schwindelerregenden Fahrgeschäften zu kommen. Allerdings verhageln weitere Schauer den Schaustellern das Geschäft – nicht gänzlich, wie man dem vormitternächtlichen Kreischen und dem Bassgewummere entnehmen kann.

man muss es mögen...
Sonntag, 24.04. Liegetag – Ausflug nach Montauban
Nach dem Frühaufstand des Vortages erst mal ausschlafen, dann zum Bäcker. Die Sonne scheint! Aber ein frisches Lüftchen weht, das Thermometer steigt den ganzen Tag nicht über 13°.
Mittags ein kleiner Autoausflug nach Montauban, wohin von Montech auch ein Stichkanal führt, aber 11 Schleusen auf ebenso vielen Kilometern, dass muß nicht sein. Die Stadt liegt hoch über dem Fluß Tarn, der – den gewaltigen Brückenpfeilern zu entnehmen – auch mal hochwassermässig ganz schön ungemütlich sein kann.

Montauban hat schöne Bauten in schöner Altstadt, aber für einen Bummel zu Fuß ist es uns zu kühl. Warum laufen, wenn man auch fahren kann. Eine meiner beliebten Stadtführungen per Auto in mir völlig unbekannten Gassen.
Für Nachreisende: der Hafen am Ende des Montauban-Kanals liegt tatsächlich vor Montauban. Man muss für eine Stadtbesichtigung von dort aus schon ganz gut zu Fuß sein.
Zurück in Castelsarrasin am Nachmittag noch Kreischen und Wummern von der Kirmes gegenüber, um 19:00 aber ist der Spuk schon wieder vorbei und die Magen testenden Fahrgeschäfte in Windeseile abgebaut.

Montag, 25.04. Castelsarrasin– Malause
Die Sonne scheint, gegen Mittag mehren sich die Wolkenfelder wieder und insgesamt ist es geradezu saukalt.

Wir starten um 10:00 und brauchen für die 7 KM zum Städtchen Moissac zwei Stunden, haben dafür aber auch sieben Schleusen und einen großen Aquaeduct über den hier breiten Tarn bewältigt.
Kanalbrücke über den Tarn

Moissac ist ein hübsches Städtchen mit einer Verbindungsschleuse hinunter zum Fluß, vielen Schiffen an seinen Kanalufern und einer Tankstelle direkt am Wasser. Wir sind heute aber voller Tatendrang und legen noch nicht an. Unseren Dieseltank hatten wir in Toulouse gefüllt. (für teure 1,42 €, aber besser als Kanister schleppen. Hier hätte der Diesel nur 1,25 € gekostet. Na ja, dann auf dem Rückweg). Wir passieren die von der Schleusenwärterin geöffnete Drehbrücke 
und fahren weitere 11 KM mit zwei Schleusen, teils parallel zum Tarn bis zu dem kleinen Örtchen Malause, dessen im Kartenführer eingezeichnetes Hafenbecken sich als befestigtes Kanalufer erweist, an dem bis auf einen für uns genau passenden Platz wieder lauter Dauerlieger in Laubenpieperidylle mit romantischen Satellitenschüsseln und Sonnenschutzkonstruktionen
am Ufer dem Tourismus das Leben schwer machen (nein, diesmal keine Engländer, zumindest soweit wir das beurteilen konnten).

Aber es gibt Strom und Wasser, die Liegegebühr betrüge 3,50 €, wenn man nach der Ankunft gleich die Mairie angerufen hätte. Ham' wer aber nich.
Die ziemlich dicht beim Kanal verlaufende Eisenbahn hat hier auch einen Haltepunkt, von dem man morgens kurz nach 7:00 Richtung Bordeaux und zwanzig nach Fünf am Nachmittag Richtung Toulouse fahren kann. Davon will ich keinen Gebrauch machen, das Auto steht gut in Castelsarrasin, ich will es holen, wenn wir in Agen sind.

Dienstag, 26.04. Malause - Agen

Schöne Strecke, die allerdings auch an mächtig dampfenden Kühltürmen eines Atomkraftwerkes vorbei führt, stets begleitet von der Eisenbahnstrecke, aber völlig ruhig, denn es kommt kaum ein Zug, um genauer zu sein, es kommt überhaupt kein Zug, während  der ganzen knapp sechstündigen Fahrt nicht. Aber das nehmen wir gar nicht bewußt wahr, wir sind damit beschäftigt, bei den Brücken über den Kanal zu peilen, ob wir auch mit unserem Cabrioverdeck durchkommen, ohne am Brückenbogen anzukratzen. 
Mastspitze als Peilmarke und Verdeck auf gleicher Höhe?

Alles gut gegangen und dann nähert sich der sagenhafte KM 101,8, an dem laut unserer Karte eine besonders niedrige Brücke mit 3,62 Meter Durchfahrthöhe verzeichnet ist. Wir glauben zwar, dass unser Schiff mit Cabrioverdeck nur 3,60 Meter hoch ist, aber wir wissen es nicht genau. Ja! Ausmessen?! Klar! Leichter gesagt als getan. Wie misst man die Höhe in der Schiffsmitte? Wie zum Bezugspunkt Wasserspiegel?  Alle Flächen von hier zum Schiffsrand sind leicht abgerundet, damit das Regenwasser abfließen kann. Steht man mit dem Zollstock auf dem Schiff an der Reling, um den Abstand bis zum Wasserspiegel zu messen, ist das Schiff durch das Gewicht des Messenden etwas schief, bzw. auf dieser Seite etwas tiefer im Wasser. Wenn man an Land steht: wie misst man mit einem 2 Meter Zollstock (contradictio in subjecto) Höhen über 2 Meter? Wie mit einem Maßband, das länger, aber flexibel ist, etc., etc. 
Also, wir vermuten, dass die Höhe 3,60 nicht übersteigt, wissen es aber nicht, außerdem sind gerundete Brücke an den Seiten tiefer, aber wieviel? Auch die Zeichnungen im Guide Fluvial helfen da nicht weiter.
links der Brückenquerschnitt deer nicht vorhandenen Brücke

Aber wir haben ja ein Verdeck konstruieren lassen, dessen Stangen sich teleskopartig etwas ineinanderschieben lassen, und wir so - wenn auch mit faltigem Verdeck - 20 cm niedriger sind. Eine Strecke vor besagter, besonders niedrig angekündigter Brücke machen wir also kurz fest, nehmen zwei Stützstangen heraus und schieben das Verdeck etwas zusammen, fahren weiter, und der KM 101,8 kommt, aber keine Brücke, und weiter und weiter, aber diese Brücke kommt nicht. Much ado about nothing! Ja, unser Guide fluvial, nicht zum ersten Mal ist er nicht auf der Höhe, obwohl es die neueste Ausgabe ist. Na ja, besser eine zu niedrig angekündigte Brücke kommt nicht, als wenn eine  Brücke unangekündigt kommt und dann das hektische Basteln beginnt, wenn man nicht sogar gleich mit Mast und Verdeck in die Brücke rauscht, die in der Regel sich als die Stärkere erweist.
So sind wir in Agen angelangt, am Nachmittag findet sich die Erklärung für die ruhige Eisenbahnbegleitstrecke: Grève, Streik. Ich habe aber trotz Eisenbahnerstreik das Auto aus Castelsarrasin nachgeholt, es fuhr nämlich ein Ersatzbus für die ausgefallene Eisenbahn. 
Liegeplatz bei Locaboat in Agen

Zum Wetter: es ist unsüdfranzösisch kalt und aus dicken Wolken fällt immer wieder mal schwächerer, mal stärkerer, mal kürzerer, mal längerer Regen. Die Temperaturen steigen nur bei kurzen Sonnenlöchern über 13°, die Schiffsheizung elektrisch oder per Diesel läuft meist. 

Mittwoch, 27.04. Agen - Liege- und Ausflugstag
Heute morgen erst mal zum Markt, immer Mittwochs auf dem Place de Pin. Dort Spargel, Erdbeeren und im Marché Couvert, der – modernen – Markthalle im Stadtzentrum ein paar Austern und etwas Roastbeaf gekauft, man gönnt sich ja sonst nichts. Das Wetter: heiter bis wolkig, wenn die Sonne einen direkt bescheint, warm, sonst kalte Luft, 13°-14°. Anziehtechnisch eine ziemliche Herausforderung. Nachdem die Markteinkäufe im Schiff gelagert sind, steht eine kleine Ausflugsfahrt per Auto auf dem Programm, Puymirol, Valence/Garonne und Auviller. 
Kornhalle in Auviller

Alles kleine Orte, mittelalterliche Gründungen, sogenannte Bastiden (siehe Wikipedia – Bastide), befestigte Orte, die es in Aquitanien zahlreich gibt, malerisch alle, viele hochgelegen. Von Auviller hat man einen weiten Ausblick über das Garonne-Tal.
Garonne


Donnerstag, 28.04. Agen – Buzet-sur–Baïse
Gleich nach dem Start überqueren wir eine lange Kanalbrücke über die Garonne und 
Kanal überquert Fluß

anschließend geht es mit einer vierstufigen Schleusentreppe weiter und dann ein langes Kanalstück zwischen wildbewachsenen Ufer weiter wie auf dem Amazonas, allerdings sehr viel schmaler und ohne Krokodile und Piranhas, immerhin sichten wir einen Eisvogel. Nach einer kleinen und einer Doppelschleusen erreichen wir Buzet-sur-Baïse, mit einem sehr schönen Hafen beim Mietbootunternehmen Nichols, ruhig und von der Gemeinde mit Picknickplätzen schön angelegt.
Buzet
Heute brause ich anschließend mal wieder mit Rabelais nach Agent zurück, um das Auto nachzuholen, was in zwei Stunden geschafft ist.

Freitag, 29.04., Liegetag in Buzet-sur-Baïse
Buzet, ein kleines Örtchen, ist für sein eigenes AOC-Weingebiet bekannt und von Kennern geschätzt.
Für Schiffer ist es interessant, weil es hier eine Abzweigung vom Kanal mit einer Doppelschleuse zum Flüßchen Baïse gibt, das zum linken Ufer der Garonne mündet wenige Kilometer stromab gefolgt vom Fluß Lot, der von rechts mündet. Beide Flüsse sind schiffbar, sowie das kurze Stück Garonne zwischen ihren Mündungen. Der Lot (gesprochen mit "t", also wie Lotte ohne "e") ein ganzes Stück bis über Villeneufe sur Lot hinaus, also mehr als 50 KM und auch für ein Boot mit unserem Tiefgang (1,20 m) befahrbar. Für die Strecke auf der Garonne muß man sich vorher erkundigen, die Wassertiefe ist je nach Wetter sehr variabel, aber es gibt Lotsen und sogar ein Schubschiff, das schwach motorisierten Booten stromauf gegen die Strömung hilft.
Die Baïse führt bis nach Condom, dem Ort meiner Träume, nicht nur wegen des Namens, sondern, da wollte ich schon immer hin, weil ein früherer Kollege diese Heimatstadt seiner Ex-frau einst als so südfranzösisch geschildert hat. Aber wie das mit den Traumvorstellungen so ist, die Baïse ist zu flach, als das wir den Ort meiner Sehnsucht per Schiff erreichen könnten, und als wir ihn denn per Auto besuchten, nun ja, schon südfranzösisch, beeindruckende alte Kirche,

Station auf einem der vielen Jacobswege nach Santiago di Compostella und auch noch Heimat des Gascogner Degenheldes d'Artagnan (ja, ja die Erinnerungen an die einstige Sommer-Freilichtinszenierung im Katharinenkloster in Nürnberg der "3 Musketiere"...), aber halt auch nicht südfranzösischer als andere Orte in der Gegend.
von einem ist halt nur der Degen zu sehen, dafür hat ein anderer einen Vogel

Am Abend gehen wir in Buzet essen ins „Le Vigneron“ und sind angenehm überrascht über die Qualität und noch mehr über den Preis: 15 € für ein Menü mit Suppe, Vorspeise, Hauptgericht und Nachtisch und weißgott kein übliches Einerlei. Kann man nur empfehlen.

Samstag, 30.04. Liegetag
Heute grausames Wetter, es begann eigentlich ganz freundlich, wir haben sogar auf dem Achterdeck gefrühstückt, die Sonne schien, aber die Wolken wurden immer dicker und die Schauer immer heftiger am Nachmittag kamen noch heftige Sturmböen dazu und schließlich sogar noch einige Schneeflocken!!!
Was soll's, wir liegen gut, haben Stromanschluss, lassen das Heizöfchen laufen und lassen den lieben Gott einen guten Mann sein. Das muss er wohl gehört haben, und schickt mir des Nachts ein gewaltiges Magen-Darm-Problem, das am nächsten Morgen zwar überstanden ist, den Skipper aber schwer angeschlagen erscheinen lässt.

Sonntag, 01.05. Liegetag
Am 1. Mai sind die Schleusen auf den französischen Kanälen geschlossen. Das hat uns nicht überrascht, nach kurzer Diskussion hatten wir auch schon am Freitag beschlossen, nicht weiter nordwestlich zu fahren, auch keine Flussexpedition über die etwas zweifelhafte Garonne in den Lot zu unternehmen, sondern hier im gemütlichen Buzet den 1. Mai abzuwarten und dann umzukehren, wieder Richtung Toulouse, südöstlich, über den Canal du Midi Richtung Mittelmeer. Also fahren wir – obwohl ich ja nach meinen nächtlichen Problemen sooo schwach bin – mit dem Auto den Lot entlang bis Villeneuve-sur-Lot 
Villeneuf sur Lot

und besichtigen dabei auch alte Bastiden teils mit schönen Aussichten über die weiten Täler und sanft geschwungenen Obstlandschaften von Lot und Garonne.
Damit ist nun unser westlichster Punkt der Reise auf Kanälen von Ostfriesland nach Frankreich erreicht und der Wendepunkt.

Mehr im 3.Teil unseres diesjährigen Reiseberichtes.

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