Berichte von Till Friedrich mit etwas Rücksicht auf nicht mit der Sportschifffahrt Vertraute. Kenntnisreichere Leser mögen über einige Erläuterungen auf Klippschul-Niveau für Nicht-Schiffer hinwegsehen.

Freitag, 12. Juni 2009

Oldersum bis Groningen

Donnerstag 04.06.2009

Morgens früh auf, um 08:00 sind wir an der Schleuse Oldersum, die wir um 08:30 Ems stromauf verlassen. Unsere Entscheidung für diese Richtung war gut, auch heute bläst kräftiger Nord-Westwind, das hätte die Überfahrt über den Dollart nach Delfzijl nicht zur Freude gemacht. Der Grund für den frühen Start: auflaufendes Wasser seit ca. 6:00 Uhr, also Flut, die gegen die Emsströmung wirkt und so dem Schiffer das stromauffahren mit zusätzlichem Rückenwind, also Strömung versüsst. Tatsächlich machen wir bei 2.200 Umdrehungen pro Minute 17 km/h über Grund, durchs Wasser sind das nur 13 km/h, also haben wir eine Strömungsgeschwindigkeit von 4 km/h. Bis 11:40 ist lt. Gezeitenkalender der Höchststand bei Papenburg erreicht, also sollten wir bequem dorthin kommen und noch weiter bis zur Schleuse Herbrum, insgesamt knapp 50 Kilometer. Jedoch…
Während wir über Funk auf Kanal 16 - sollte man auf Küstengewässern und Seestraßen (und eine solche ist die Ems bis Papenburg, ab dort stromauf beginnt die Binnenschifffahrtsstraße Ems bzw. der Dortmund-Ems-Kanal mit gut 225 Kilometern) stets in Hörbereitschaft sein - während wir also über Funk mitfühlend mitbekommen, daß jemand vor Spiekeroog Probleme hat, „können Sie einen Anker auswerfen?“…“wie ist Ihre genaue Position?“ (wir hören nur die Stimme der Rettungsleitstelle, die des verzweifelten – vemute ich jedenfalls mal – Skippers nicht) „Schiff XYZ wird in 20 min bei Ihnen sein“, streift mein routinemäßiger Blick die Temperaturanzeige der Motoren und – verdammt noch mal – die Bbd-Maschine ist im roten Bereich! Sofort Motor aus und mit der Steuerbordmaschine allein weitergefahren, wir sind kurz vor Weener, da kann man vor der Schleuse anlegen und nach dem Rechten sehen. Es ist 09:45. Was ist jetzt schon wieder? Blick durch’s Schauglas des Wasserfilters für den Kühlkreislauf – Wasser läuft nicht. Filter verstopft? Eigentlich nein, trotzdem eben ausgebaut und gesäubert, Wasser läuft immer noch nicht, zieht der Filter Luft (hatten wir ja schon siehe oben Prolog), aber neue Dichtung müßte eigentlich funktionieren, Deckel nochmal mit etwas Wasserpumpenfett gut aufgesetzt – immer noch kein Wasser, was jetzt? Anrufe bei Werft(Chef ist erst in einer Stunde wieder da) und Motorenfirma in Aurich ( hmm? Vielleicht der Thermostat? Liegt da und da, die und die Schrauben mit Deckel lösen) Also nochmal gründlich schauen, alle Bodenabdeckungen über Motor wegnehmen und… da hängt der Keilriemen in Fetzen runter. Na, wenigstens die Ursache entdeckt, Ersatz habe ich dabei, Keilriemen wechseln habe ich ja schon vor 14 Tagen geübt (sh Prolog), dann ans Werk.
Allerdings wie ein Schlangenmensch zwischen heißen Motoren sich winden, alle möglichen Körperteile verbrennen und drei Hände haben müssen für Lichtmaschine spannen und Schrauben festdrehen, ist kein Vergnügen, laute Flüche, wüste Beschimpfungen, Wutschreie des Kapitäns und 1. Mechanikers nimmt die – mit Kishon zu sprechen – beste aller möglichen Ehefrauen nicht nur fast kommentarlos hin, sondern reicht auch Werkzeug an und versucht beschwichtigend zu wirken, was allerdings auch schon mal gegenteilige Folgen haben kann. Also hopplahopp in lächerlichen zwei Stunden ist alles erledigt, daß der Anlasser mal wieder hängt und mit leichten Schlägen auf den Hinterkopf wieder an seine Pflichten erinnert wird oder die blöde Wasserpumpe erst wieder reagiert, nachdem sie etwas Wasser direkt in den Ansaugschlauch per Trichter injiziert bekommen hat, kann eigentlich niemanden außer mir noch erschüttern. Also um 11:45 kann’s weiter gehen. Fluthöhepunkt ist erreicht, aber die Strömung (wegen nun einsetzende Ebbe) ist noch nicht gekippt, bis Papenburg halten wir bei 2.200 UpM so zwischen 12 – 13 km/h, die letzten 15 Kilometer bis zur Schleuse kommt etwas mehr Gegenstrom, aber mit 11 km/h kommt man ja schließlich auch vorwärts und da bei unserer Ankunft gerade ein Berufsschif ausfährt und der Schleusier uns gnädig und sofort allein nach oben schleust und wir dann nicht mehr auf einer mehr grau-gelb-lehmig sich dahinwälzenden, Gezeiten unterworfenen, sondern einer regulierten, klar durch schöne Gegenden sich schlängelnden Ems dahinschippern und die Temperaturanzeiger sich ordentlich im grünen Bereich aufhalten, kann man sich doch einen kleinen Zigarillo leisten und etwas entspannen.
Im Marinapark Emstal bei Walchum machen wir um 15:30 fest, bei einem Liegeld von 11,50 € incl. Strom und Wasser und vier Frühstückbrötchen morgens bis fast ans Schiff und einem abendlichen Schnitzel mit Pommes sieht die Welt doch wieder etwas besser aus.
7,5 Stunden waren wir unterwegs incl. Reparaturzeit und 58 Kilometer war unser Etmal (so nennen die Seebären ihre Strecken).

Freitag, 05.06.2009

Bevor es nach gemütlichem Frühstück losgeht, spanne ich nach den gestrigen Erfahrungen erst nochmal den Keilriemen der anderen, der Steuerbordmaschine nach. Um 11:45 werfen wir die Leinen los und schippern unter grauem Himmel bei ca. 16° mit einigen Schauern, die sich hauptsächlich während des Schleusens ereigen (wo man nicht im Trockenen sein kann, sondern draußen auf dem Gangbord steht, um die Schleusenleinen zu halten bzw. einzuholen) nach Haren an der Ems, wo wir nach zwei Schleusen, 21 Kilometern und 4 Stunden 15 min Fahrzeit ankommen. Dort machen wir in der neuen Marina um 14:45 Uhr fest. Liegegeld 10,00 € incl. Strom, Wasser, sehr sauberen sanitären Anlagen und warmen Duschen ohne Münzapparat. Wir können auch gut auf dem Schiff duschen, aber so hat man mal mehr Platz und braucht nicht das verduschte Wasser wieder nachzutanken.
Haren ist ein altes Schifferstädtchen und deswegen wurde auch Ende des 19.Jahrhunderts der Haren-Rütenbrok- Kanal gebaut, die einzige Binnen-Ost-West-Verbindung zu Wasser in Norddeutschland, damit die Ems-Schiffer gegen die zunehmende Eisenbahnkonkurrenz mithalten konnten. Hat wohl nicht viel genutzt, jedenfalls wurde erst nach einem deutsch-holländischen Abkommen 1976 der Kanal wieder belebt, erst von einem Verein und jetzt vom NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) betrieben.
Es gibt im Städtchen eine nette kleine Fußgängerzone, mit Bäckern, Banken und Restaurants, u.a. eines (Restaurant und Pension Temmen), in dem ich zur Abwechslung mal ein Schnitzel Wiener Art mit Pommes esse (aber ein sehr gutes) und Elke Schweinelendchen. Kurz, alles da, was des Schiffers Herz begehrt. Wesentlich aber ist, das zwei gegen Ende des 19.Jahrhunderts neureich gewordene Brüder dieser allerkatholischsten Stadt des Emslandes eine mächtige Kirche gestiftet haben, eine veritabele Kopie des Petersdomes. So ist der Glaube ( für Rheinländer: der „normale“ Glaube) weiterhin gesichert.
In der Nacht ist es saukalt, 6° – im Juni! Schafskälte ist vielleicht eine Erklärung, aber macht es nicht wärmer.

Samstag, 06.06.2009

Heute also in den Haren-Rütenbrok-Kanal, in dem von der Eingangsschleuse aus alle 10 Klapp- und Drehbrücken und weiteren 3 Schleusen gesteuert werden. Dort meldet man sich an, bezahlt 2,00 € für die Durchfahrt. Die dauert ca. 2,5 Stunden und da wir gegen viertel vor 10 Uhr dort eintreffen, schaffen wir die 13,5 Kilometer bis zur Mittagspause, dann haben wir die holländische Grenze erreicht und warten bis 13:00, dem Ende der Mittagspause des niederländischen Personals auf dem TerApel/Stadskanaal. Nutzen wie für ein Magnum – Eis vom am Kanal gelegenen Eetcafé.
Pünktlich geht’s weiter, drei BB’s (bewegbare Bruggen, also Klapp-, Hub- oder Drehbrücken) weiter biegen wir vor dem Städtchen Ter Apel links ab in den Jachthaven mit reichlich Stegen, einer Kneipe mit holländischen Imbißsegnungen wie Frikandel, Saté usw. Ebenfalls vorhanden: sanitäre Anlagen, Tankstelle, und Schmutzwasserabsaugvorrichtung. Die müssen alle holländischen Einrichtungen haben, da das Einleiten von Toilettenabwässern aus Sportbooten seit 2009 nicht mehr gestattet ist. (Man kann also nicht mehr von der berühmten „gequirlten Schifferscheiße“ sprechen). Hier machen wir fest um 13:40 Uhr, nach 4 Stunden und 5 Minuten (einschließlich Wartezeiten) und insgesamt stolzen 17 Kilometern. Das Wetter war gnädig, einige längere Sonnenlöcher ließen zweitweise den kalten Wind vergessen.
Am Nachmittag per Fahrrad mit Elke ins Städtchen, einige Einkäufe, denn morgen ist Sonntag und die Schifffahrt ruht. Keine Brücken- und Schleusenbedienung. Elke ist am Morgen leichtsinnig vom Schiff an Land gesprungen und hat nun Schmerzen im Bein, die sich auch beim Fahrradfahren bemerkbar machen. Immer noch die Folgen des Beinbruchs vor vier Jahren!

Sonntag, 07.06.2009

Wie gesagt, Brücken und Schleusen ruhen and so do we. Wetter ist bewölkt, relativ trocken, lockt aber nicht zu gößeren Ausflügen. Man muß ja auch mal bei dem anstrengenden Rentner- und Schifferdasein ausschlafen. Im Laufe des Tages schaue ich mal nach den - wie sich Elke ausdrückt - „älteren Herren im Keller“, also unseren Motoren und spendiere ihnen jeweils einen Liter Öl.
Abends gehen wir in die Hafenkneipe und -o wunder- es gibt nicht nur Frikandellen (ja, mit „n“), sondern auch Snitsel met Champignons und Bratkartoffeln, zusammen mit vier Bier für 24,80 €, kann man ja eigentlich nicht meckern. Ganz zu schweigen von leckerem Salat und Gemüse, dessen Chicoreebeinhaltung uns nachts ganz schön auf Trab hält. Harntreibend.


Montag, 08.06.2009

Um 9:45 Leinen los, bis zur nächsten Brücke, den Brückenwärter angerufen, der kam nach 5 Minuten und weiter geht’s vorbei an TerApel, Musselkanaal und schließlich nach Stadskanaal, dem Ort am gleichnamigen Kanal, wo wir vor der „Eurobrug“ unmittelbar bei der Fußgängerzone festmachen, mit Strom, Wasser und sanitären Anlagen zum Nulltarif.
Unser heutiges Tagewerk bei ca. 15 ° (im Juni!!) und nach nächtlichem Dauerregen einigermaßen trocken: 18 KM bei vier Stunden Fahrzeit, vier Schleusen und zahlreichen BB’s. Abends essen wir im örtlichen Chinees-Indoneesich Restaurant nicht gerade preiswert.

Dienstag, 09.06.2009

Morgens gießt es wie aus Eimern, ich gehe zum Brückenwärter und cancele unsere für 09:00 Uhr verabredete Abfahrzeit (= Brückenöffnung), eigentlich wollen wir wieder ins Bett und den Regen verschlafen, da wird es trocken und eine Ahnung von Sonne hinter den Wolken kommt auf. Wir beschließen, doch weiter zu fahren und tatsächlich, die Sonne kommt immer öfter heraus und es ist nicht mehr so kalt. Ich also zum Brückenwärter: Um 10:15 koomt een ander Jachtje, da könnt Ihr meefahren. Was wir auch tun.
Veendam ist unser Ziel, nach einiger Kanalstrecke fährt man dann durch ein Puppenholland, wo auf einer Strecke von wenigen Kilometern eine ganze Mannschaft von Brücken- und Schleusenwärtern die Boote auf Fahrrädern und „Brommfietsjes“ (Mofa bzw. heute Vespa) begleitet, um unzählige kleine Dreh- und Klappbrücken zu öffnen und auch zwei Schleusen bis zum Stadthafen in Veendam. Um 13:00 Uhr hatten wir Veendam erreicht, bis 15:15 dauerte die Durchfahrt bis zum Hafen.
Das Etmal: 15 KM in 5 Stunden, Liegegeld incl Strom und Wasser, Dusche ohne Münzautomat beträgt 4,20 €.

Mittwoch, 10.06.2009

Wie verabredet, ist der Schleusenwärter um 10:00 Uhr parat, die letzte Schleuse in Veendam und dann geht’s Richtung Winschooter Diep, in welches wir gegen halb elf Uhr einbiegen, um um 11:00 in Zuidbroek im Hafen der Werft PEDRO festzumachen und eine kurze Besichtigung von deren neuen Schiffsmodellen und Gebrauchtbooten durchzuführen. Das Angebot holt uns nicht vom Hocker, außerdem haben wir ja ein schönes Boot und kein Geld für ein Neues. Wir brechen wieder auf und erreichen Groningen, wo wir um 15:00 Uhr im Oosterhaven festmachen.
Groningen ist die Provinzhauptstadt, bevölkert von vielen Studenten und mit einer sehr schönen Innenstadt versehen, durch die wir am Nachmittag auch einen kleinen Bummel machen. Wir waren schon öfter in Groningen, sowohl mit dem Boot als auch mit dem Auto, von unserem Heimatort so keine anderthalb Stunden Fahrt entfernt, aber es ist immer wieder schön hier.
Nachmittags können wir sogar ein bißchen in der Sonne sitzen

Donnerstag, 11.06.2009

Die ganze Nacht hat es geregnet und auch am Vormittag will es nicht aufhören. Im Regen Schiff fahren macht keinen Spaß, wir bleiben einen Tag, besichtigen den Bahnhof von 1898 in Renaissance-Stil mit unzähligen abgestellten Fahrrädern „Fietsen“, und nicht das eigenwillige Kunstmuseum mit einer Sonderausstellung „Kuba Kunst und Geschichte seit 1869“, auch nicht die Sonderausstellung von Porträts aus der Zeit des „Gouden Eeuw“, des Goldenen Jahrhunderts der Niederlande (17.Jahrhundert), mit Porträts Groninger Persönlichkeiten, dafür besuchen wir ausgiebig Geschäfte mit Dingen, die 50% der Menschheit wichtig finden, die andern 50 % nicht so sehr; das die Aufteilung der Geschlechter bei den Menschen zufällig ähnliche Zahlenverhältnisse aufweist, hat mit dem Thema eigentlich nichts zu tun.

Der Liegeplatz in Groningen kostet 12 € am Tag zuzüglich 1,50 € pro Person für „Touristenbelasting“, wenn man das wireless lan des Ooosterhavens benutzen will, bekommt man für 2 € für 24 Stunden ein Passwort. Das nutze ich denn auch für mails, Elke schaut die Bankkonten nach und ich kann meinen Blogg im Internet bedienen.

1 Kommentar:

  1. Mir fällt auf, dass nach Grenzübertritt nur noch ein Schnitzel verzehrt wurde. Sehr entäuschend.

    AntwortenLöschen