Berichte von Till Friedrich mit etwas Rücksicht auf nicht mit der Sportschifffahrt Vertraute. Kenntnisreichere Leser mögen über einige Erläuterungen auf Klippschul-Niveau für Nicht-Schiffer hinwegsehen.

Samstag, 1. Mai 2010

Nach Berlin, zu Schiff, die Zweite

Mit guten Vorsätzen - regelmäßig zu bloggen und nicht wie letztes Jahr die Leser irgendwo zurückzulassen - starten wir unsere zweite Reise nach Berlin auf eigenem Kiel.

 Freitag, 30.04.2010
Wiesmoor (Marcardsmoor)  - Emden
Nachdem es vor nicht einmal zwei Monaten noch so bei uns ausgesehen hat...
hatten wir schon sommerliche Tage in der vergangenen Woche, an denen wir durchaus mit dem einen oder anderen Schweißtropfen unser Boot startklar gemacht haben:
  • Ölwechsel an zwei Motoren
  • Winterlagerschmutz außen wie innen entfernen
  • Bootsrumpf und Dächer wachsen und polieren
  • Sommerpersenning montieren
  • Matratzen und Polster (im Winter zu Hause gelagert) wieder einbringen
  • Wasser auffüllen (300 liter)
  • Betten beziehen
  • Lebensmittel und Getränke einladen
  • dto Bücher, Karten, Reiseführer
    auch noch - nicht zu vergessen, aber ohne Schweiß - die web'n walk Karte wieder mobilisieren, sodaß wir auch auf dem Boot (fast) uneingeschränkt internetfähig sind. Fast, d.h. Timo Beil will uns nicht über Skype telefonieren lassen, wahrscheinlich wollen Sie ihre Konkurrenz bekämpfen (kein voice over IP heißt das dann auf kommunikations-chinesisch.
Nachdem das nun alles erledigt war, wollten wir eigentlich am 01.Mai starten, aber ein Blick auf dieses Papier:
  ließ uns die Frage stellen, was, wenn Samstag ein Feiertag ist? Der 1.Mai nämlich, der "Tag der Arbeit"- für Rentner irgendwie überflüssig. Tatsächlich Feiertag wie Sonntag - und da ruhen außer in der Hauptsaison die Schleusen auf dem Ems-Jade Kanal. Das hieße, wir könnten erst am Montag, den 3.Mai starten und soviel Zeit haben wir nicht - Rentner!
Also starten wir schon Freitag bei leider inzwischen verschlechtertem Wetter, grau, regnerisch und 15° mit dem üblichen Ritual - wir zwei zusammen mit dem Auto zum Liegeplatz am Nordgeorgsfehnkanal im Wiesmoorer Stadtteil Marcardsmoor - ja ja, seit 2006 ist Wiesmoor, "die Blüte Ostfrieslands" mit seinen 14.000 Einwohnern Stadt - dort laden wir den restlichen Krempel (Laptop, Fernseher und was der Mensch sonst noch so braucht) aus, Elke schifft sich ein und ich fahre allein mit dem Auto zurück und parke es in der heimischen Garage. Dort noch rasch den Postboten abgepaßt mit den auf den letzten Drücker bestellten vier neuen Fendern, die in den Rucksack und dann das vor zwei Jahren als "Opknapper" (Schnäppchen) für 10 Euro erstandene tadellose Bridgestone Rennrad bestiegen und die 7 Kilometer bis zum Liegeplatz in knapp 15 Minuten gestrampelt.

Fahrrad zum anderen, schon zwei Tage vorher von mir zum Boot geradelten auf die Badeplattform plaziert, 09:58 werfen wir die Leinen los, und gelangen mit einer längeren Pause an einer Schleuse, aber der selbstlosen Bereitschaft des Schleusenwärters, der auf seine Mittagspause für uns verzichtet, zwei Schleusen bedient und zahlreiche Brücken für uns öffnet, noch vor Ende der "Betriebszeit" nach Emden, wo wir im "Delft" um 17:00 Uhr festmachen.
Für Kenner: der schnellere Weg wäre kurz vor Emden in den Verbindungskanal, dort dann über die Verbindungsschleuse in den Ems-Seiten-Kanal bis Oldersum und dann in die Ems, aber die Verbindungsschleuse war wegen Reparaturarbeiten gesperrt, also mußten wir nach Emden über die Kesselschleuse, dann neben anderen Brücken, die Gunst der Öffnungszeit der Eisenbahnbrücke über den Emder Hafen erwischen, zur Borsumer Schleuse und von da dann in den Ems-Seiten-Kanal.

Der Ems-Jade-Kanal endet in Emden und damit auch die Zuständigkeite des NLWKN, die Schleusen am Emder Hafen (Seeschleuse und Borsumer Schleuse) werden von Niedersachsen Ports bedient, der Ems-Seiten-Kanal und die Oldersumer Schleuse liegen dann in der Zuständigkeit des Bundes wie auch die Ems und der folgende Dortmund-Ems-Kanal. Hier gelten dann am 1.Mai die Feiertagsregelungen, d.h. Betriebszeiten bis 14:00 Uhr bei den Schleusen. Das heißt wir kommen weiter.
Liegeplatz im Delft in Emden




Samstag, 01.Mai 2010
Emden - Herbrum (DEK KM 210)

Das Wetter ist heute leider noch schlechter als gestern, dicke graue Wolken, kräftige Regenschauer, was der April an namenstypischem Wetter weitgehend hat vermissen lassen, scheint der Mai an seinem Feiertag unbedingt nachholen zu müssen. Was soll's - das kann doch einen Seemann nicht erschüttern, also 09:30 Leinen los, langsam zur Eisenbahnbrücke geschippert, zur Anmeldung zweimal kräftig getutet und tatsächlich, pünktlich, wie wir es von der Deutschen Bahn AG gewohnt sind, öffnet dieselbe um 09:55 die Brücke, wir hindurch und zur Borsumer Schleuse, die vorher über Funk schon von uns benachrichtigt wurde und mit freundlichem Doppelgrün zur Einfahrt lädt.

10:15 - 10:25 dauert die Schleusung und weiter durch den Ems-Seiten-Kanal zur Schleuse Oldersum, 

die ebenfalls über Funk vorangemeldet Grün zeigt. 11:15 angekommen, verlassen wir die Schleuse auf die Ems um 11:30 und brausen mit erst 20, später sogar 24 Stundenkilometer dank der Hilfe der auflaufenden Flut zu Berg. Für die 40 KM an Leer und Papenburg vorbei zur ersten Schleuse, die die unregulierte Ems bis zur Mündung von der regulierten Ems mit dem Dortmund-Ems-Kanal (DEK) trennt, brauchen wir so gerade mal 2 Stunden. Zur Dimension, unser Boot, ein sogenannter Halbgleiter, erreicht mit seinen zwei 106 PS Volvo Penta Motoren von 1976 bei 4.000 UpM 24 km/h als Spitzengeschwindigkeit. Das muten wir unseren "älteren Herren im Keller" aber nie zu, meist fahren wir so mit um die 2.000 UpM 11 KM/h durchs Wasser. Jetzt, auf der lehmig dahinstrudelnden Emsflut haben wir wegen der Feiertagsbetriebszeit auch etwas Gas gegeben, 3.000 UpM bedeuten so ungefähr 16 KM/h, aber die Strömung hat noch einmal kräftige 7 bis 8 KM/h dazu gegeben.
Wir erreichen die Schleuse Herbrum bei DEK-KM 212 also um 13:30 gerade noch rechtzeitig, um vor Schließung 14:00 Uhr ca. 1,50 m nach oben geschleust zu werden. Die nächste Schleuse - Bollingerfähr - ist nur 5 KM weiter stromauf, aber die würden wir nicht mehr rechtzeitig erreichen, daher biegen wir kurz hinter Herbrum nach links ab (der offiziell rechten Seite des Flusses/Kanals immer in Fließrichtung gesehen) in einen kleinen Seitenarm, an dem hinter einem Deich das Restaurant und Hotel "Emsblick" liegt, dessen auf dem Deich aufgestellten Strandkörbe in dem Regenwetter etwas verloren aussehen. 
Vor dem Hotel am Ufer ein Steg, an dem wir festmachen. 14:00, eine anstrengende Schifffahrt hält außer ihren drei fnach ihrem Ende noch die durch den am Steg befindlichen Stromanschluß ermöglichten Annehmlichkeiten bereit. Wärme durch den Elektroheizer, Bulletten als Zwischenmahlzeit aus dem Kühlschrank, warmes Wasser zum Haare waschen und Föhn zum Trocknen der selben für die Bordfrau und für den Schreiber dieser Zeilen einen Internetanschluß über einen wundersamer Weise vorhandenenen wlan-Hotspot, der sogleich für ein Skype - Telefonat mit Freunden genutzt wird. Abends im "Emsblick" ein köstliches Spargelmenue mit "hiesigem" Spargel mehr als daumendick, Lachsfilet, Schnitzel, roher und gekochter Schinken, Petersilienkartoffeln und die entsprechenden Saucen Butter und hollandaise, für zwei Personen mit Jever Pils und Prosecco für 41 €, kann man eigentlich nicht meckern, außer Wolfram Siebeck vielleicht, aber zu Unrecht.

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